daumenkino:
Rushmore
Solange nicht auch noch der deutsche Film das Genre der Gymnasial- oder Realschulkomödie entdeckt, besteht noch Hoffnung. In den Staaten hat die Schulbank drückende und mit dem Triebleben kräftig herumwedelnde Adoleszenz jedenfalls immer noch ziemlich Konjunktur.
Aber was ist eigentlich so interessant daran, auf der Leinwand noch mal den verklemmten Mathelehrerinnen und gemeinen Sportlehrern zu begegnen, mit denen man ansonsten allenfalls noch in Alpträumen und natürlich auf notorischen Klassentreffen zu tun hat, zu denen man immer zusagt, aber eigentlich nie fährt?
Vielleicht sind Highschool-Filme tatsächlich nur für Highschüler interessant, wobei „Grease“ hier immer noch aus dem Rahmen fällt, weil Olivia Newton-John mit paarunddreißig eine achtzehnjähriges Mädchen spielte und John Travolta, schon immer John Travolta war.
Sei's drum und ex negativo: Nachdem in den letzten Monaten ein unglaublicher Ausstoß von Cheerleaderdramen, verpickelten Schlüpfrigkeiten und Cliquenerfahrungsfilmen in die Kinos kam, ist Wes Andersons „Rushmore“ schon deshalb ein sympathischer Ableger des Genres, weil hier eben keiner Mutters warmen Apfelkuchen fickt oder mit Aufreißerlebnissen protzt, sondern ganz rührend sublimiert wird, was das Zeugs hält.
Max Fischer, der aussieht wie eine Kreuzung zwischen Superman, einem Pygmäen und dem frühen Woody Allen, ist eines jener an produktivem Weltverdruss leidenden jüdisch sozialisierten Leinwand-Wunderkinder, die schon sehr früh erkennen, dass sie entweder so werden können, wie die Welt es will, oder die Welt so werden lassen wie sie selbst wollen.
Im Fall des fünfzehnjährigen Fischer bedeutet Letzteres zwar erst mal von der noblen Privatschule zu fliegen und in Vaters Friseursalon zu jobben, aber der Genius ist nicht zu stoppen: Dank Max' kreativer Allianz mit einem depressiven Stahlunternehmer schießen Drachenfliegvereine, Laientheatertruppen, Observatorien und Aquarien in seinem Kleinstädtchen nur so aus dem Boden. Dabei bleibt angenehm in der Schwebe, ob sich hier tatsächlich ein zukünftiges Performance- und Dichtergenie herausdifferenziert oder einfach nur ein leicht neurotischer Provinzscharlatan.
Mit der Anbetungskraft eines kleinen Petrarca macht Max außerdem seiner attraktiven Lehrerin Miss Cross den Hof, und die Geschichte dieser leidenschaftlich verzweifelten Liebe, die sich am Altersunterschied, befreundeten Rivalen, zerdepperten Fahrrädern und mehreren Identitätskrisen vorbei ihren Weg sucht, ist eigentlich das schönste an „Rushmore“.
KATJA NICODEMUS
„Rushmore“. Regie: Wes Anderson. Mit Jason Schwartzman, Bill Muray u. a. USA 1998, 93 Min.
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