Rundfunkrat wählt Interimsintendantin: Vom WDR zum RBB
Nach der Schlesinger-Affäre hat der RBB eine Interimsintendantin gewählt. Katrin Vernau ist bisher WDR-Verwaltungsdirektorin und gilt als feste Bank.
Die Interimsleitung darf nach Maßgabe der Rechtsaufsicht des RBB, die aktuell beim Land Brandenburg liegt, maximal ein Jahr amtieren. Anschließend muss ein regulär gewählter Intendant oder eine Intendantin die Aufgabe wahrnehmen.
Vernau wurde 1973 im baden-württembergischen Villingen-Schwenningen geboren. Nach ihrem Studium an der Hochschule St. Gallen in der Schweiz und an der Columbia Business School promovierte sie im Jahre 2002 an der Universität Potsdam. Seit 2015 war sie Verwaltungsdirektorin des WDR.
Vernau war als einzige Kandidatin von einer vierköpfigen Findungskommission vorgeschlagen worden, was für Kritik unter anderem bei der Freienvertretung des RBB sorgte. Ihre Wahl wurde von Protesten von Mitarbeitenden des Senders begleitet. Befürchtet wird, mit ihr werde eine „Statthalterin des WDR“ eingesetzt. Dem Rundfunkrat hatte sich Vernau am Dienstag in einer Videokonferenz vorgestellt.
Wunde Seele der Belegschaft
Vernau nannte als ihre Aufgaben unter anderem, sie wolle die Beschäftigten anhören und dafür Foren schaffen. Zudem wolle sie die Wirksamkeit der Gremien als Kontrollinstanzen des Senders wiederherstellen. Ferner werde sie einen Kassensturz machen, um zu wissen, wo der RBB finanziell steht. Wichtig sei zudem, die Aufklärung voranzutreiben, um die Glaubwürdigkeit des Senders wiederherzustellen.
Auch die in den vergangenen Jahren angeschobenen und zum Teil im Sender umstrittenen Reformen wolle sie sich anschauen. „Mit Sicherheit ist nicht alles schlecht“, sagte die neue RBB-Chefin.
Auf die Frage, ob sie sich perspektivisch vorstellen könnte, über die Interimszeit hinaus Intendantin des RBB zu werden, sagte die 49-Jährige, die Perspektive seien die nächsten zwölf Monate. „Und danach – das sieht man danach.“ Sie ergänzte: Wenn das beim RBB vor allem vom Rundfunkrat gewollt sei, könne sie sich gegebenenfalls auch vorstellen, weiterzumachen. „Aber es kann auch andere Alternativen nach zwölf Monaten geben.“ Vernau ist beim WDR beurlaubt und könnte zurückkehren.
Brandenburgs Medienstaatssekretär Benjamin Grimm (SPD) sagte: „Es ist gut, dass es für die Zeit bis zur Wahl einer neuen Intendantin oder eines neuen Intendanten eine klare Leitung gibt.“ Der RBB müsse jetzt umfassend aufklären und die notwendigen Konsequenzen ziehen, um Fehlverhalten für die Zukunft sicher auszuschließen. „Dafür muss er jetzt handlungsfähig sein.“ Brandenburg hat derzeit die Rechtsaufsicht über den RBB.
Der RBB-Rundfunkratsvorsitzende Dieter Pienkny zeigte sich zufrieden, dass nun die „Hängepartie“ zu Ende sei. Er sprach von einer „hartnäckigen Sanierungsarbeit“. Er sei auch optimistisch, dass die „wunde Seele“ der Belegschaft behandelt werde.
Kennerin des öffentlich-rechtlichen Rundfunks
Mit Vernau kommt eine Kennerin des verwinkelten und weit verzweigten öffentlich-rechtlichen Rundfunks zum RBB. Es hatte vor der Wahl auch Stimmen gegeben, die eine andere Lösung gefordert hatten – jemanden, der überhaupt nichts mit dem System zu tun hatte bislang, quasi „unbefleckt“ ist. Vernau ist bislang für den WDR als größte ARD-Anstalt eine feste Bank. Sie steuert bisher eine der größten Organisationen im öffentlich-rechtlichen Rundfunk. Sie gilt als kompetent und anpackend, wenn man sich im ARD-Umfeld umhört. Im Mai 2019 wurde sie mit großer Mehrheit in ihrem Amt als Verwaltungsdirektorin wiedergewählt. Sie hat den Posten seit 2015 inne. Ihre aktuelle Amtszeit läuft bis Ende Februar 2025.
Die bisherige RBB-Intendantin Patricia Schlesinger war seit 2016 im Amt und nach massiven Vorwürfen über Korruption, Vorteilsnahme und Verschwendung von Beitragsgeld Anfang August zurückgetreten und anschließend von den Aufsichtsgremien abberufen und fristlos gekündigt worden. Auch der RBB-Verwaltungsratsvorsitzende Wolf-Dieter Wolf musste zurücktreten. Gegen Schlesinger, ihren Ehemann Gerhard Spörl und Wolf ermittelt die Generalstaatsanwaltschaft Berlin wegen des Verdachts der Untreue und der Vorteilsannahme. In einem Interview mit der „Zeit“ räumte Schlesinger am Mittwoch Fehler ein, wies aber Korruptionswürfe zurück.
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