Rummelplatz-König ohne Hirn

■ Für Abwechslung im Trainingslager von Markus Bott sorgen auch verbale Seitenhiebe gegen Kritiker

Von einem Fließbandarbeiter kann man nicht erwarten, daß er sich an ein bestimmtes Auto erinnert, bei dem er die Schrauben an der Radkappe festgezogen hat. Wie soll man ihm da Vorwürfe machen, wenn ein Wagen mal ein Rad ab hat? Von einem Berufsboxer kann man ebensowenig erwarten, daß er sich jedes Schlages entsinnt, den er ausgeteilt und eingesteckt hat. Warum soll man ihm da vorhalten, er habe durch seine Kämpfe am laufenden Band sein Gedächtnis eingebüßt? Dann stellt sein Manager lieber einen Artikulations-Assistenten und Denk-Artisten ein, der für die Lösung schwieriger Merkaufgaben bekannt ist: Chuck Talhami heißt der Mann, der schon Muhammed Alis cerebrale Enciphalitits durch leichte Schläge auf den Hinterkopf behandelte, und der ist jetzt auch in dem Boxstall von Klaus-Peter Kohl für die Speicherkapazität von Weltmeister Markus „Cassius“ Bott verantwortlich.

„Der Chuck hat mich an Sachen erinnert, die ich einfach im Laufe meiner Karriere vergessen habe“, rühmt Bott seinen neuen Zweit-Coach. Der erste Ratschläger in der Ecke des Faust-Weltmeisters des kleinsten Verbandes WBO ist Enno Werle. Der Kaiserslauterer hatte Bott vor seenem Titelgewinn am 13. Februar in der Sporthalle gegen den lustlosen und fleischigen Amerikaner Tyrone Booze vorbereitet und ihm Disziplin beigebracht. „Das war schon mein größtes Problem“, bekennt der „Champ“.

Das Duo Werle/Talhami trainiert den 31jährigen mit unerbittlicher Härte. Lauf- und Koordinationsübungen mit Gewichten an der linken Hand sollen verhindern, daß Bott bei seiner ersten Titelverteidigung am 26. Juni in der Sporthalle gegen den Argentinier Nestor „Hipolita“ Giovannini wieder mit einer offenen Deckung zu Schlägen auf sein lädiertes Auge einlädt. Das hat der gelernte Anstreicher mit dem Gemüt eines trotzigen Kleinkindes nämlich auch vergessen: Daß er die Linke höher halten muß, um sich wenigstens den Anflug von Verteidigung zu geben und nicht nur wie auf dem Pforzheimer Rummelplatz Prügel auszuteilen.

Aber auch, aufgemerkt, verbale Schläge gegen Reporter gehören neuerdings zum Repertoire des Weltmeisters. Schon nach seinem Titelgewinn tönte Trotzkopf Bott: „So, jetzt können auch die Journalisten mal klatschen. Markus Bott hat's Euch nämlich jetzt gezeigt.“ Naja, vielleicht sollte Promoter Kohl noch einen Grammatik-Lehrer beschäftigen, der Markus daran erinnert, daß er, wenn er sich selbst meint, in der ersten und nicht in der dritten Person Singular sprechen muß. Karten für den den nächsten Auftritt des Rummelplatz-Athleten gibt es übrigens noch genügend. Im Vorprogramm kämpft Dariusz Michalczewski, Internationaler Deutscher Meister der Berufsboxer, gegen den Sparringspartner von Bott.

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