: Ruhe gibt es immer nur kurzzeitig
Wagenburgler von der East-Side-Gallery sind weiter auf der Suche nach einem neuen Stellplatz. Vom Bezirk Mitte zogen sie nun zum Volkspark Friedrichshain nach Prenzlauer Berg ■ Von Gereon Asmuth
„Ich hoffe, daß sie weiterziehen.“ Reinhard Kraetzer (SPD), Bürgermeister in Prenzlauer Berg, ist wenig erfreut über die jüngsten Zuzüge in seinen Bezirk. Auf ihrer Odyssee durch die Stadt strandeten am Dienstag abend etwa zwanzig Rollheimer mit ihren Wagen auf einer Freifläche am Volkspark Friedrichshain. Mitte April waren sie aus der Wagenburg hinter der East-Side-Gallery geflohen, um einer befürchteten Räumung und Zerstörung ihrer Behausungen zu entgehen. Auf einem derzeit ungenutzten Teil der Bergstraße fanden sie vorübergehend Asyl. Die Baustadträtin in Mitte, Karin Baumert (PDS-nah), wollte die Besetzer zwar nicht an dieser Stelle dulden, hoffte aber an anderer Stelle, eine modellhafte Ansiedlung zu initiieren. Nach Prüfung aller Ersatzflächen sei aber nur ein Teil des Parkplatzes Alexander- Ecke Voltairestraße in Frage gekommen.
„In derart zentraler Lage hätten wir keine Aussicht auf längere Duldung, selbst wenn wir die miserablen Bedingungen zwischen S-Bahn und sechsspuriger Straße ertragen könnten“, lehnten die Rollheimer ab. Baumert versuchte daher zusammen mit der Sozialverwaltung, den Wagentreck nach Pankow umzuleiten. Seit zweieinhalb Jahren leben dort 80 Erwachsene und 20 Kinder in der Wagenburg „Pankgräfin“. „Wir gelten als offiziell genehmigter Platz, haben aber immer noch keinen Vertrag“, schildert Silvia von den Pankowern ihre Lage. Dabei wird es auch bleiben, da die Pankgräfin am Montag abend die Aufnahme der East-Sider ablehnte. Die Sozialverwaltung will daher auch weiterhin keine Verträge unterzeichnen. „Unsere Kompostklos sind auf 100 Menschen ausgelegt, der Platz ist schon überlastet“, begründet Silvia die Entscheidung. Freie Stellflächen müßten zudem erst von Schrottbergen befreit werden.
„Sehr erleichtert“, war Baustadträtin Karin Baumert am Dienstag abend, als sie beim Besuch der Bergstraße feststellte, daß die Wagenburgler trotzdem aus Mitte verschwunden waren. Ohne Lösung war Baumerts Duldung ausgelaufen. „Die Wohnform finde ich sehr schön“, schickt Baumert der Weitergezogenen hinterher. „Freiflächen in der Innenstadt werden aber für Grünflächen und Spielplätze benötigt.“ Ein Umzug an den Stadtrand sei daher für die Rollheimer zumutbar.
Im Prenzlauer Berg hofften die Rollheimer nun auf Unterstützung der Bezirksverordneten. Im letzten Jahr hatten sie grundsätzlich für die Ansiedlung einer Wagenburg gestimmt. Das Bezirksamt aber sieht auch im Prenzlauer Berg keine geeigneten Flächen. Trotzdem werden die Neusiedler am Friedrichshain nicht sofort wieder vertrieben werden. Das Grundstück ist nämlich Privateigentum, und die Eigentumsverhältnisse sind noch ungeklärt.
Bürgermeister Kraetzer sieht daher keinen Handlungsspielraum für eine Räumung. So könnte der neue Platz ein vorübergehender Ruhepunkt in der Rollheimerodyssee werden.
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