: Ruhe am Jahrestag des Tiananmen-Massakers
■ Nur einige Blumen in Peking/ Tausende von chinesischen und ausländischen Touristen belebten den Platz/ Polizei observierte
Peking (ap/afp) — In einigen Stadtteilen Pekings lagen gestern morgen vereinzelt weiße Blumen auf den Gehwegen. Diese kaum wahrnehmbaren Zeichen von Trauer und Protest haben am Dienstag in Peking an die blutige Niederschlagung der chinesischen Demokratiebewegung vor zwei Jahren erinnert. Auf dem Platz des Himmlischen Friedens (Tiananmen), wo am 4. Juni 1989 Panzer die von Studenten angeführte Bewegung niederwalzten, herrschte das übliche Touristentreiben, wenn auch die Präsenz der Sicherheitskräfte sichtbarer war als sonst. Gewisse Spannungen gab es lediglich in der neun Kilometer entfernten Universität.
Die verstärkten Sicherheitsvorkehrungen hatten bereits am Wochenende begonnen. Während in vielen Teilen der Stadt auch Beamte in Zivil patrouillierten, waren starke Kräfte uniformierter Polizei vor allem um den Tiananmen-Platz und die Universität zusammengezogen worden. In der Nacht zum Dienstag wurde der Platz sogar von Bereitschaftspolizei abgeriegelt, doch wurde er für die traditionelle Flaggenhissung im Morgengrauen wieder freigegeben. Im Laufe des Vormittags belebten ihn Tausende von chinesischen und ausländischen Touristen. Den meisten war offenbar nicht bewußt, daß das Geschehen ständig von Polizisten mit Videokameras festgehalten wurde.
In der Beida-Universität, die als Zentrum der Demokratiebewegung galt, und in benachbarten Hochschulen verbrachten viele Studenten die Nacht wachend. In der Dunkelheit war immer wieder zu hören, daß leere Flaschen zertrümmert wurden. Dies hat sich zu einer Geste des Protestes entwickelt, da das chinesische Wort für „kleine Flasche“ ähnlich klingt wie der Vorname des führenden Politikers Deng Xiaoping. Deng gilt als Drahtzieher der Niederschlagung der Demokratiebewegung.
Vor dieser Aktion hatten sich nach Angaben aus Universitätskreisen rund 300 Menschen schweigend vor der Universitätsbibliothek versammelt. Anschließend zogen mehrere Dutzend Studenten in einem Schweigemarsch durch das Universitätsgelände, ohne daß die Sicherheitskräfte eingeschritten seien, hieß es weiter. Fast alle Teilnehmer hätten weiße Kleider getragen, was in China ein Ausdruck für Trauer ist.
Die Polizei hatte die rund 40 westlichen Journalisten vor der Beida- Universität aufgefordert, die Gegend zu verlassen. Die chinesischen Behörden überwachten alle ausländische Journalisten, die das Universitätsgelände nicht betreten durften. Mitglieder eines kanadischen Fernsehteams wurden vorübergehend festgenommen. Kurz nach Ausbruch des Protests berichtete die amtliche chinesische Nachrichtenagentur 'Xinhua‘, daß es in allen Pekinger Universitäten ruhig sei, und dementierte Berichte ausländischer Agenturen über Zwischenfälle. 'Xinhua‘ warf ausländischen Medien vor, sie warteten ständig darauf, „China ins Chaos fallen zu sehen“. Die KP Chinas erklärte am Dienstag, sie habe Korruption in den eigenen Reihen erfolgreich bekämpft und habe die „Bande des Fleisches und des Blutes mit den Massen gestärkt“. Die USA forderten unterdessen China erneut zur Freilassung der Demonstranten auf, die im Rahmen der Niederschlagung der Demokratiebewegung auf dem Tiananmen-Platz vor zwei Jahren festgenommen worden waren.
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