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Rugby-WMFrankreich wettet auf den Gegner

Frankreichs Rugby-Spieler ziehen sich für Kalender aus und tragen Rosa, aber vor dem Spielen haben sie Angst. Ganz besonders vor dem Viertelfinale gegen Neuseeland.

Neuseeland und Frankreich: Schon 2004 kam es zu ungemütlichen Zusammentreffen der Teams. Bild: dpa

PARIS/CARDIFF taz Kein Schauplatz dieser Rugby-Weltmeisterschaft ist schicksalhafter für Frankreich. Mit Cardiff, der walisischen Stadt, der sie die Ausrichtung mehrerer WM-Spiele überließen, haben die Franzosen in den angelsächsisch beherrschten internationalen Rugby-Gremien den Zuschlag für die Weltmeisterschaft bekommen. Und in Cardiff riskieren die französischen Nationalspieler heute Abend Kopf und Kragen. Den Europameistern aus Frankreich stehen die neuseeländischen "All Blacks" gegenüber, die Meister der Disziplin.

"Angst vor Schwarz", titelten am Freitag französische Blätter im Hinblick aufs Viertelfinale. Und schrieben von Neuseeländern, die ihre letzten Trainings lächelnd und vor Journalisten abwickeln, während sich die Franzosen verbarrikadieren. In Frankreich, wo das Viertelfinale auf zahlreiche Großbildschirme auf öffentlichen Plätzen und in Bistros übertragen wird, herrscht schon vorab Katerstimmung. Kaum jemand setzt auf die eigenen Spieler. Selbst Optimisten von Berufs wegen, wie der ehemalige Rugbyspieler Abdelatif Benazzi, sind skeptisch: "Um auch nur eine Chance zu haben, müssen wir ein perfektes Spiel machen. Das allerbeste in der Ära von Nationaltrainer Laporte."

Wenn das Ausrichterland schon im Viertelfinale ausscheidet, werden die verbleibenden Spiele bis zum Ende der WM am 20. Oktober für Frankreich einen bitteren Beigeschmack bekommen. Viele im Land hatten sich schon mit einem neuen Weltmeistertitel gesehen: Neun Jahre nach dem Triumph im Fußball - dieses Mal mit Rugby. Darauf setzte nicht zuletzt Staatspräsident Nicolas Sarkozy, der dem Rugby-Nationaltrainer Bernard Laporte schon vor langem einen Posten als Staatssekretär für Sport für die Zeit nach der Rugby-WM zugesagt hat. Den Posten soll Laporte auch bekommen, wenn seine Mannschaft den Weltmeistertitel verfehlt.

Dabei hat die Rugby-WM so vielversprechend begonnen. Bis vor wenigen Jahren war Rugby in Frankreich ein regional geprägter Sport. Nur der Südwesten interessierte sich für das harte Spiel um den ovalen Ball. Im Norden und Osten kannte kaum jemand die komplizierten Regeln des Spiels, geschweige denn interessierte er sich dafür. Eine unsichtbare Grenze teilte Frankreich in eine Fußball- und in eine Rugby-Zone. Sie verlief parallel zu jener Linie, die das Frankreich, wo mit Butter gekocht wird, vom Süden trennt, der in der Küche mit Olivenöl hantiert. Nur punktuell kam es im nördlichen Frankreich zu Rugby-Begeisterung. Unter anderem trugen dazu Streetworker bei, die den Sport bei ihrer Jugendarbeit in den sozialen Brennpunkten vermittelten. Das traditionelle Rugby ist ja körperlich härter als Fußball, und es verlangt einen starken Mannschaftsgeist.

Im Vorfeld der WM gelang es den französischen Rugby-Managern erstmals, ihre Spieler zu Stars zu formen. Unter anderem trugen dazu ein Kalender mit Nacktfotos von Rugby-Spielern bei. Eine wichtige Station war auch das neue Trikot-Design bei dem Club "Stade Français"; erstmals zog die Farbe Rosa in das Rugby-Stadium. Catherine Kintzler, Philosophin, will eine "neue Kultur des Rugby" erkannt haben. Unter anderen gehört dazu laut Kintzler ein "dialektischer Umgang mit der Kraft". Wie viele Fans preist sie die Nebeneffekte des Sports: ein Kollektiv, das zusammenhält, und ein Publikum, das keine Hooligans kennt. Neben den Intellektuellen hat auch die französische Werbebranche Rugby entdeckt.

Doch wenn heute Abend im Stadium von Cardiff der Haka ertönt, der martialische Gesang der neuseeländischen Spieler, die sich mit Schreien und kräftigen Schlägen auf Oberschenkel und andere Körperteile für das bevorstehende Spiel rüsten, brauchen die Franzosen jede Menge Dialektik und sehr viel Gemeinschaftssinn, um sich nicht einschüchtern zu lassen.

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