: Ruft den Abschleppwagen
Wenn die Tram nicht kommt, werden die Fahrgäste nervös. In der Straßenbahnleitstelle in Lichtenberg kämpfen Verkehrsmeister gegen das Chaos
von Claudia Malangré
Eisig pfeift der Wind um die Haltestelle. Frierende Fahrgäste laufen am Bahngleis der Linie M4 auf und ab. Wo bleibt die Tram? Diese Frage beschäftigt auch die Verkehrsmeister in der Straßenbahnleitstelle in Lichtenberg. In einem gut gesicherten Großraumbüro überwachen und lenken sie rund um die Uhr den Berliner Straßenbahnverkehr. Jeder Arbeitsplatz ist mit sechs Bildschirmen ausgestattet.
Farbige Linien ziehen sich über die Monitore: die Straßenbahnlinien Berlins. Fast in Echtzeit können die Verkehrsmeister die Trams von hier aus verfolgen. Sie sehen, an welcher Stelle sich die Bahnen gerade befinden und ob ein Zug zu früh oder zu spät ist. Das rechnergestützte Betriebsleitsystem misst die Differenz zwischen dem Fahrplan und den realen Fahrtzeiten, die stetig durch Funkkästen in den Gleisen übermittelt werden.
Plötzlich knackt das Funkgerät. Ein Straßenbahnführer meldet einen Falschparker auf der Oranienburger Straße. „Die Gleise sind blockiert, die Tram kommt nicht vorbei.“ In der Straßenbahnleitzentrale bricht Hektik aus. Es ist Stoßzeit, und auf der Strecke fahren momentan drei Linien. Wenn nicht schnell etwas passiert, werden sich die Trams stauen. Ein Verkehrsmeister im Außendienst wird angefunkt. Er muss so schnell wie möglich dafür sorgen, dass das Auto umgeparkt wird.
Sobald er vor Ort ist, nimmt er Kontakt mit der Polizei auf. Er gibt das Kennzeichen durch, und die Polizei prüft, ob nach dem Fahrzeug gefahndet wird. Das ist nicht der Fall, das Auto kann umgesetzt werden. Die Polizei beauftragt den Abschleppwagen. Jetzt ist der Verkehrsmeister allein zuständig. Auf der Polizeischule wurden er und seine Kollegen dazu ausgebildet, solche Verfahren selbst zu regeln.
Das lohnt sich, denn Falschparker sind einer der häufigsten Gründe für Verspätungen bei der Straßenbahn. „Gerade in der Oranienburger Straße sind Falschparker ein Klassiker“, weiß der Schichtleiter in der Straßebahnleitstelle, Stefan Banik. An der Ausschilderung liege das nicht. „Da ist eigentlich völlig klar, dass man da nicht parken darf“, meint Banik, „aber genau diese kleine Ecke ist halt immer frei, und dann stellen sich die Leute eben dahin und sind weg.“
Für den Verkehrsmeister im Außendienst heißt das nun: Warten auf den Abschleppwagen, den Umsetzungsvorgang dokumentieren und fotografieren. In der Leitstelle feilt man indessen an der Fahrgastinformation, die in der Laufzeile auf den Anzeigen an den betroffenen Haltestellen erscheinen soll. Zudem müssen die anderen Fahrer der Tramlinie unterrichtet werden, und natürlich braucht es auch dringend eine Lösung für die Folgebahnen, die auf dem Weg zum versperrten Streckenabschnitt sind.
Sollen diese Trams umgeleitet werden? Das ist schwierig. Nicht nach jeder Haltestelle gibt es eine Abzweigung. Gleich mehrere Stationen müssten übersprungen werden, und der Fahrplan wäre völlig durcheinander. „Manchmal ist es sinnvoller die Bahnen auflaufen zu lassen“, erklärt Stefan Banik: „Der Aufwand, Bahnzüge zu einer anderen Strecke umzuleiten, ist oft größer als der Nutzen. Leute 10 bis 20 Minuten warten zu lassen, ist nicht schön. Das tut auch weh, aber manchmal ist es eben die bessere Alternative.“
Zurück auf Kurs
Der Verkehrsmeister wählt das kleinere Übel. Er ordnet an, die Folgebahnen am Hackeschen Markt zurückzuhalten. Sobald die Strecke frei ist, muss er die Linie zurück auf Kurs bringen, die Züge sollen schließlich nach Fahrplan fahren. Einzelne Bahnen werden über eine Abkürzung gelenkt. Nach einer Weile fährt endlich wieder alles nach Plan. Doch schon droht die nächste Katastrophe, nicht nur Falschparker stören die Tram, auch Verkehrsunfälle, Baustellen, Fahrgastunfälle und Fahrzeugstörungen verzögern den Betriebsablauf. Und wieder warten Fahrgäste an den Haltestellen.
Eines steht fest: Die Arbeit der Verkehrsmeister wäre leichter, wenn die Berliner Autofahrer besser darauf achteten, wo sie parken. Die Frierenden an den Tramstationen würden es ihnen danken.