Rüstung: Der Blick aus den Sternen
Das Bremer Firma OHB soll eine neue Generation von Aufklärungssatelliten bauen. Zur Durchsetzung des geplanten Systems bauen selbst die USA auf die guten politischen Kontakte der OHB-Eigner in Berlin.
Erst zwei Jahre ist das jüngste deutsche Satellitenaufklärungssystem, die so genannte SAR-Lupe, im All, da soll schon wieder ein Neues her: "Hiros" ist sein Name und mit seinen supermodernen Kameras soll künftig der Bundesnachrichtendienst (BND) aus dem All Objekte erspähen können, die nur etwas größer sind als eine DIN A3-Seite.
Bauen wird das ganze voraussichtlich die Bremer Satellitenschmiede OHB - sofern sie sich als Lobbyistin auch selbst für das Projekt stark macht. Das jedenfalls geht aus sieben Depeschen der US-Botschaft in Berlin hervor, die die Internet-Plattform Wikileaks veröffentlicht hat. Die OHB-Eignerfamilie Fuchs habe "alle nötigen politischen Kontakte, um Hiros zu realisieren und das Verteidigungsministerium zu überzeugen", heißt es dort.
Solche Schützenhilfe hatte Hiros nötig, denn die Kosten für das System bewegen sich im dreistelligen Millionenbereich - und die Bundesregierung fürchtet seinetwegen diplomatische Schwierigkeiten mit Frankreich.
Den Depeschen zufolge klopften das Deutsche Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR), der Raumfahrtkonzern EADS-Astrium und der BND vor der Bundestagswahl 2009 bei der US-Botschaft an. In der Tasche hatten sie Pläne für ein System aus sechs Satelliten, ausgestattet mit den neuesten optischen Kameras, mit denen innerhalb weniger Stunden scharfe Bilder von allen Punkten der Erde geschossen werden können. Das DLR selbst hatte diese Kameras in seiner Berliner Niederlassung entwickelt - und wollte nun die USA mit ins Boot holen: Drei Satelliten für jedes Land, zu einem Pool zusammengeschaltet. Das war der Vorschlag, und die USA waren nicht abgeneigt.
Bislang hatte Berlin in Sachen Spionagesatelliten auf die Kooperation mit Frankreich gesetzt. So hatte Deutschland, namentlich OHB, ein binationales Radarsatellitensystem - die "SAR-Lupe" - gebaut, Frankreich jedoch dafür das Feld der optischen Satelliten überlassen. Genau diese Arbeitsteilung stand dem DLR nun wohl bei der Vermarktung seiner Technologie im Weg.
Deshalb, so ist in den Depeschen zu lesen, wollte man große Anstrengungen unternehmen, damit OHB seinen offenbar hoch geschätzten Einfluss in Berlin geltend macht, um Hiros auch gegen alle französischen Querschüsse durchzusetzen. Erst gestern war eine andere Botschaftsdepesche bekannt geworden, in der OHB-Chef Berry Smutny Frankreich wegen seiner Technologiepolitik scharf angriff: "Frankreich ist das Reich des Bösen, was den Technologie-Diebstahl angeht, und Deutschland weiß das", wird Smutny zitiert.
Das DLR ist wenig angetan von dem Datenleck: "Wir diskutieren seit rund zwei Jahren über das System Hiros", sagt Sprecher Andreas Schütze. Dessen "angedachte Anwendung" umfasse "die Bereitstellung von hoch aufgelösten optischen Daten für staatliche Nutzungsbereiche", darunter "Krisenmanagement bei Naturkatastrophen und wissenschaftliche Nutzungen". Es handele sich dabei aber "nicht um einen Spionagesatelliten" und "ebenso wenig um ein geheimes Projekt". Über die Realisierung von Hiros wolle man "aufgrund des Projektstatus keine Angaben machen".
OHB-Sprecher Steffen Leuthilf ist offenherziger. Zwei sei Hiros bisher "nur eine projektierte Geschichte, das gibt es nur auf den Schreibtischen des DLR", sagt er. Doch: "Wir könnten das bauen und wir würden das gerne tun, wenn es zur Ausschreibung kommt." Das DLR sei dazu bereits an das Unternehmen herangetreten: "Es hat definitiv da schon eine Anfrage geben, aber das muss nicht unbedingt eine Beauftragung zur Folge haben." Hiros sei "wieder mal ein System, das sowohl zivil, als auch militärisch genutzt werden kann". Die erzeugten Bilder würden sowohl "zur Erlangung von Umweltinformationen dienen", als auch "in Krisensituationen genutzt werden können".
Bei der Freiburger Informationsstelle Militarisierung sieht man das anders: "Hauptnutzer und Initiator von Hiros ist der BND", sagt IMI-Sprecher Malte Lühmann. Insofern könne weniger von "Dual-Use" die Rede sein, als von dem "wieder erstarkenden Wunsch nach nationaler militärischer Einsatzfähigkeit".
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