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Rücktritt von Sasha WaltzHoffentlich nur ein Stolpern

Johannes Öhman und Sasha Waltz verlassen die Leitung des Staatsballetts Berlin – das Duo war erst im August gemeinsam angetreten.

Gehen zukünftig getrennte Wege: Sasha Waltz und Johannes Öhman Foto: picture alliance/Monika Skolimowska/dpa-Zentralbild/dpa

A ls das Staatsballett Berlin im Dezember seine Premiere von „Sunny“ von Emanuel Gat zeigte, erstmals in der Berliner Volksbühne, fasste die Kollegin Astrid Kaminski den Aufbruch dieses lange schlingernden Ensembles zusammen: „Die neue Staatsballettleitung Johannes Öhman (seit 2018) und Sasha Waltz (seit 2019) hat es seit ihrem Antritt verstanden, das Prinzip Hoffnung zu vermarkten. Aus einem Staatsballett, das der strengen russischen Schule nachtrauerte, formen sie, unter dem Applaus der fast schon chauvinistisch händchenhaltenden Presse, ein für moderne Tanzsprachen offenes, vielseitig versiertes Ensemble skandinavischen Stils.“

Mit diesem Prinzip Hoffnung ist jetzt erst mal Schluss. Am Mittwoch gab das Staatsballett bekannt, dass Johannes Öhman zum Jahresende aufhört, um am Dansens Hus in Stockholm neuer Geschäftsführer zu werden. „Sasha Waltz hat sich daraufhin entschieden, die Intendanz ebenfalls zu beenden, weil sie das gemeinsame Projekt nicht alleine fortsetzen möchte“, heißt es in der Erklärung des Staatsballetts. Sie wolle sich wieder auf ihre Arbeit als Choreografin konzentrieren.

Das ist eine schlechte Nachricht. Für das Staatsballett, dessen klassisch gebildete TänzerInnen gerade mit viel Mut und Anstrengung zu zeigen begannen, dass sie sich sehr wohl neuen und unterschiedlichen Tanzsprachen öffnen können. Für ein Publikum, das jünger und diverser wurde und interessiert war an den neu programmierten Stücken von den jüngeren ChoreografInnen Gat, Jefta van Dinther, Alexander Ekman und Eyal Sharon. Für die drei Opernhäuser, die sich über den ungewohnten Erfolg des auf ihren Bühnen auftretenden Staatsballetts freuen konnten, wurde es doch in der Umfrage der Zeitschrift tanz als Ensemble des Jahres 2019 ausgezeichnet. Das alles gerät jetzt ins Wanken.

Das IntendantInnenduo war 2016 vom damaligen Kulturstaatssekretär Tim Renner berufen worden; eine Entscheidung, gegen die das Ensemble der TänzerInnen und auch andere Ballettfreunde zunächst protestierten: Sie warfen vor allem Sasha Waltz Ballettferne und Unverständnis für die Klassik vor. Diese Wogen der Aufregung glätteten sich mit den Spielplänen, die das Duo konzipierte. Das Projekt, eine Brücke zwischen den klassischen Balletten und dem zeitgenössischen Tanz zu schlagen, nahm Gestalt an. Und es war in den Spielzeiten 2018 und 2019 auch zu erleben, wie beim Überqueren dieser Brücke neue Qualitäten sichtbar wurden.

Ist Waltz nie richtig angekommen?

Die gemeinsame Intendanz hat erst im August 2019 begonnen. Die jetzige Aufkündigung gegen Ende des Jahres wirft natürlich Fragen nach dem Warum auf. Funktionierte die Zusammenarbeit nicht, gab es doch noch Vorbehalte gegen diese Intendanz aus dem Staatsballett? Ist Sasha Waltz da womöglich gar nicht richtig angekommen?

Sasha Waltz war nie nur dort Intendantin. Am Tag vor der Ankündigung des Rücktritts verschickte Sasha Waltz & Guests eine Pressemitteilung zum vielseitigen Start von Sasha Waltz & Guests ins Jahr 2020. Man freut sich, im Radialsystem ein Gastspiel der schwedischen Performerin Charlotte Engelkes zu präsentieren, ein Auftragswerk für Sasha Waltz & Guests bei dem amerikanischen Regisseur Andrew Schneider ankündigen zu können und für April eine Waltz-Werkschau in der Volksbühne vorzubereiten.

Dass im April auch am Staatsballett ihre erste eigene Choreografie herauskommen wird, „Symphonie 2020“, stand dort nicht. Beides zusammengenommen aber zeigt, dass Waltz gerade auf einen Höhepunkt ihrer Präsenz zusteuert. Aber der Gedanke, dass dies womöglich ein Tanzen auf mehreren Hochzeiten war und vielleicht auch als ein Zuviel wahrgenommen wurde, liegt nun mit der Ankündigung des Rückzugs nahe.

Der Kultursenator Klaus Lederer bedauerte die Entscheidung, „denn die beiden haben den Tanz in Berlin regelrecht wachgerüttelt“. Ihm obliegt jetzt der schwere Job, dass aus diesem erneuten Stolpern des Staatsballetts kein Absturz wird und eine zukünftige Leitung das aufgebaute Potenzial weiter nutzen kann.

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Katrin Bettina Müller
Kulturredakteurin
Geboren 1957 in Köln. Seit Mitte der 80er Jahre Autorin für die taz (über bildende Kunst, Tanz, Theater, Film), seit 2003 Redakteurin. Seit Juni 2023 wieder freie Mitarbeiterin.
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