■ Kofi Annan stellt sein Programm zur UNO-Reform vor: Rücktritt nicht ausgeschlossen
Seit Anfang der 50er Jahre fand in der UNO etwa alle acht Jahre eine größere Reformdiskussion statt. Wie auch bei der aktuellen Debatte wurde dabei fast immer das Pferd vom Schwanz aus aufgezäumt. Die Exekutive der UNO in Form des New Yorker Generalsekretariats erhielt den Auftrag zur Erarbeitung von Organisationsreformen, ohne daß sich die Mitgliedsstaaten in der Generalversammlung vorab über die politischen Schwerpunkte und Arbeitsprioritäten der UNO in den nachfolgenden Jahren verständigt hätten. Die aktuelle Debatte ist allerdings die erste nach dem Ende des Ost-West-Konflikts und findet daher unter grundsätzlich veränderten globalen Rahmenbedingungen statt. Dies schuf die Hoffnung, der seit Januar amtierende Generalsekretär Kofi Annan werde die eingefahrenenen Bahnen bisheriger Debatten sprengen und ein überzeugendes Signal zur seit langem überfälligen Organisationsreform der UNO setzen. Doch Annan hat diese Hoffnung enttäuscht.
In seinem am Mittwoch vorgelegten Programm zur „Erneuerung der Vereinten Nationen“ nahm der Generalsekretär viel zuviel Rücksicht auf die Interessen diverser Sonderorganisationen und Mitgliedsregierungen an der Erhaltung ihres Einflusses. Selbst wenn die zahlreichen, durchaus begrüßenswerten Einzelvorschläge Annans sämtlich den Segen der Generalversammlung finden und auch umgesetzt werden sollten, dürfte sich an Arbeitsweise und Erscheiungsbild der UNO grundsätzlich wenig ändern.
Mit seiner vorsichtigen Taktiererei wollte Annan wahrscheinlich zuviel Gegnerschaft innerhalb des UNO-Systems und das Risiko eines politischen Selbstmordes vermeiden. Dieses Risiko droht ihm allerdings weiterhin von anderer Seite. Denn zum einen dürfte sein Reformprogramm kaum große politische Unterstützung innerhalb der UNO-Mitgliedschaft sowie bei im Rahmen der UNO engagierten Nichtregierungsorganisationen mobilisieren. Zum anderen erfüllt das Programm die Forderungen der USA nach massiven Ausgaben- und Personalkürzungen auch nicht annähernd. Wie die ersten Reaktionen aus dem US-Kongreß zeigen, wird die finanzielle Erpressung der UNO durch die USA anhalten, So dürfte Annan in den nächsten Monaten unter noch stärkeren Druck aus Washington und der sich verschärfenden Finanzkrise im UNO-System geraten. Ein Rücktritt des Generalsekretärs noch vor Ende seiner Amtszeit ist keineswegs ausgeschlossen. Andreas Zumach
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