■ Kommentar: Rückfall in die Sechziger
Ein gezielter Schuß mit dem zum Blasrohr umfunktionierten Tintenkiller. Und die Klassenbeste ist außer Gefecht gesetzt. Keine gute Anmache. Aber die Aktion vertreibt jeden Wissensdurst, jede Neugier aus dem Klassenzimmer – bei den Mädchen. Was jeder kleine Macho weiß, wird seit Jahren in Untersuchungen nachgewiesen: wie man(n) das andere Geschlecht zum schwachen macht. Nur ein paar pseudoaufgeklärte Geister finden das „Quatsch“: Zurück zur Mädchenschule? fragen sie scheinheilig, wiewohl sie wissen: Niemand will das.
Hieß Koedukation in den 60ern, die Schulen konsequent für beide Geschlechter zu öffnen, können bei einer „modifizierten Koedukation“ heute nur die Lerninhalte und die Didaktik im Mittelpunkt stehen. Dazu zählt auch der zeitweise Rückzug in eigene Lern- und Erfahrungsräume: um in Ruhe zu lernen; um unter GeschlechtsgenossInnen zu besprechen, was mensch sich vor Scheichs oder Ladies nicht traut. Mit ihrer Hilfe könnte ein Bewußtsein für das „Geschlechterverhältnis“ entstehen – aus dem sich Männer nicht mehr einfach davonstehlen können, wie sie es bei der leidigen „Frauenfrage“ so gern tun.
Manch eifernde Pädagogin trägt freilich das Ihre dazu bei, daß Männer gar nicht erst in die Debatte einsteigen. Schon den Begriff Koedukation kennt kaum jemand außerhalb der Szene. Wie soll da aus der „reflexiven Koedukation“ ein Kampfbegriff werden? Solange die Frauen nicht bereit sind, den Begriff zu erklären, und die Männer nicht verstehen wollen, kommt nie eine Debatte zustande. Christian Füller
siehe Bericht Seite 22
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen