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Rudolf Balmer über den gescheiterten Anschlag in FrankreichDschihad im Alltag

Einer der Kriegsschauplätze befindet sich mitten in unserem Alltag – auch in Deutschland

Nach den Anschlägen auf Charlie Hebdound den jüdischen Supermarkt Hyper Cacher stellen offenbar Hochgeschwindigkeitszüge mögliche Anschlagsziele für islamistische Terroristen dar. Auch wenn das mutmaßliche Attentat eines 26-jährigen Marokkaners im Thalys-TGV von Amsterdam nach Paris gescheitert ist und ein Massaker von Passagieren verhindert werden konnte, ist der terrorisierende Effekt ganz reell. Man kann sich ausmalen, was geschehen wäre, wenn aus einer Kalaschnikow neun Magazine geleert worden wären.

Mehr denn je müssen wir uns beklommen mit der Idee abfinden, dass der Dschihad nicht fernab in Syrien, Irak oder Afghanistan stattfindet. Einer der Kriegsschauplätze befindet sich für diese Terroristen mitten in unserem Alltag in Frankreich, Belgien oder Spanien – und auch in Deutschland.

Was bleibt außer der Angst und dem Lob für die Zufallshelden, die ihr Leben für ihre Mitreisenden riskiert haben? Es ist mittlerweile schon eine traurige Wiederholung, nach derartigen Ereignissen vor verhängnisvollen Klischees zu warnen. Dass der mutmaßliche Täter aus Nordafrika stammt, passt nur zu gut in das propagandistische Schema der Rassisten. Das Risiko eines Pauschalverdachts gegen Mitmenschen aus dem Orient wächst.

Ebenso automatisch kommt der Ruf nach stärkerer Überwachung, sofern dies noch möglich ist, oder gar nach harten vorbeugenden Maßnahmen gegen potenziell Verdächtige, etwa präventive Inhaftierung oder Ausweisung. Der Schritt zum Polizeistaat, in dem der Verdacht genügt und eine effektive Schuld nicht mehr bewiesen werden muss, wäre nur zu schnell gemacht.

Niemand hat bisher eine erfolgversprechende Strategie im Kampf gegen diesen Dschihad in unserem Alltag. Aber immerhin: Wir haben eine Vorstellung davon, was zu vermeiden ist, damit die Terroristen nicht noch größere Wirkung erzielen.

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