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Ruandas alter neuer StaatschefApplaus für NGO-Schelte

Nichts soll schiefgehen bei der Amtseinführung von Präsident Paul Kagame. Der mit 93 Prozent Zustimmung Wiedergewählte fühlt sich von der Weltgemeinschaft missverstanden.

Paul Kagame will seine Kritiker "komplett ignorieren". Bild: dapd

KIGALI taz | Die frisch geteerten Straßen in Ruandas Hauptstadt Kigali sind an diesem Morgen wie leer gefegt. Nur ein paar Rollerskater nutzen die Gelegenheit, auf dem frischen Asphalt die Hügel hinunter zu düsen. Noch vor Sonnenaufgang haben sich zehntausende Jugendliche im Fußballstadion Kigalis versammelt. Aus jedem Distrikt des kleinen Landes im Herzen Afrikas wurden 100 Jugendliche nach Kigali geschickt, um die Amtseinführung des Präsidenten Paul Kagame zu feiern. Und an diesem Tag darf nichts schiefgehen.

Schon Tage zuvor haben sie die Sitzordnung geprobt. Jeder weiß genau, wo er sitzen muss und in welcher Farbe er gekleidet sein muss. Warum, dies wird erst klar, als die Reihen auf der großen Zuschauer-Tribüne gegenüber der VIP-Lounge voll besetzt sind. "Kagame Paul Gyee" -"Wir sind alle für Paul Kagame" - ist nun dort in Lettern zu lesen, die sich aus dem Kontrast der T-Shirt-Farben zusammensetzen.

Mit gewaltigem Applaus wird Kagame begrüßt, als er die Bühne betritt. Ein Monat nach der Präsidentschaftswahl, in der er mit 93 Prozent der Stimmen verbuchen konnte, wird der 52-Jährige heute in sein Amt eingeführt. Die Prozedur läuft strikt nach Protokoll: Er tritt an das Pult, hebt die rechte Hand und schwört in der lokalen Sprache Kinyarwanda "der ruandischen Republik und dem Volk zu dienen". Im Anschluss an seine Unterschrift unter die offizielle Urkunde werden ihm die Verfassung im ledernen Einband, eine seidene Flagge sowie das Wappen der Republik überreicht. Als Oberkommandierender der Armee schreitet er die Reihen der Soldaten ab, die auf dem Rasen strammstehen.

16 Staats- und Regierungschefs aus Afrika sind nach Kigali gekommen, um mit ihrem Amtskollegen den Beginn seiner nächsten, siebenjährigen Amtszeit zu feiern, darunter auch Kenias Präsident Mwai Kibaki und Präsident Idriss Déby Itno aus Tschad. Beide stehen unter Beobachtung des Internationalen Strafgerichtshofs, da sie den in Den Haag angeklagten Präsidenten Sudans, Omar al-Bashir, vor kurzem in ihren Hauptstädten willkommen geheißen hatten.

Unter diesen Kollegen fühlt sich Kagame nun aufgehoben. Auch er glaubt sich von der Weltgemeinschaft dieser Tage in die falsche Ecke gedrängt. Ein noch nicht offiziell vom UN-Sicherheitsrat verabschiedeter UN-Bericht klagt Kagames Regierungspartei RPF (Ruandische Patriotische Front) an, nach dem Völkermord in Ruanda 1994, bei welchem rund 800.000 Menschen - meist Tutsi - brutal ermordet worden waren, selbst einen Genozid an den Hutu begangen zu haben. Damals, 1996, hatten Kagames Truppen die Flüchtlingslager im Ostkongo angegriffen, in denen sich überwiegend ruandische und burundische Hutu aufhielten, die vor Kagames Rebellenarmee geflüchtet waren.

Darauf bezieht sich indirekt Kagames Antrittsrede im Stadion, die er auf Englisch an die Welt adressierte. Er erwähnte zwar den UN-Bericht mit keiner Silbe, doch die Botschaft scheint unmissverständlich. Er dankt seinen afrikanischen Amtskollegen für ihre Solidarität. Er spricht über westliche Menschenrechtsorganisationen, Medien und internationale Organisationen, die seine Regierung beschuldigen, den Fortschritt mit repressiven Methoden voranzutreiben - all diese "verdienen nichts mehr, als komplett ignoriert zu werden". Ihre Anschuldigungen seien nicht mehr mit Mangel an Verständnis zu rechtfertigen, sondern Beweis für die Heuchelei und Arroganz gegenüber dem afrikanischen Kontinent. "Wir Afrikaner müssen dagegen aufbegehren", wendet er sich an seine afrikanischen Kollegen. Dafür erntet er begeisterten Applaus.

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