piwik no script img

Ruanda führt die FrankophonieMahnung für den Genozid

Ruandas Außenministerin Louise Mushikiwabo wird die neue Generalsekretärin der Internationalen Organisation der Frankophonie.

Louise Mushikiwabo vor der Presse nach ihrer Wahl Foto: reuters

BERLIN taz | Es mutet kurios an: Die Außenministerin eines Landes, das Französisch als Amtssprache abgeschafft hat, wird Generalsekretärin der Internationalen Organisation der Frankophonie (OIF). Aber die Wahl von Louise Mushi­kiwabo aus Ruanda für eine vierjährige Amtszeit als oberste Fürsprecherin des Französischen auf der Welt beim IOF-Gipfel in Armenien vergangene Woche ist weniger aus linguistischen denn aus politischen Gründen bemerkenswert.

Afrika, das 27 der 54 stimmberechtigten OIF-Mitglieder stellt, stand sowieso hinter der Ruanderin – aber es war vor allem die Unterstützung durch Frankreichs Emmanuel Macron, die ihr zum kampflosen Sieg verhalf. Kanada zog zum Gipfelauftakt seine Unterstützung für Amtsinhaberin Michaëlle Jean aus Québec zurück, der Rest war Formsache.

Für Ruanda, das bereits die Afrikanische Union (AU) führt, ist die Übernahme der OIF ein weiterer diplomatischer Triumph. Ruanda streitet mit Frankreich seit Jahrzehnten über dessen Rolle im Völkermord an einer Million Menschen, zumeist Tutsi, im Jahr 1994.

Französische Militärs hatten zuvor die für die Massaker mitverantwortliche Hutu-Armee ausgerüstet und ausgebildet, französische Soldaten schützten am Ende die fliehende Hutu-Regierung vor den vorrückenden Tutsi-Rebellen der RPF (Ruandische Patriotische Front), die heute das Land regieren.

Eine selbstkritische Aufarbeitung all dessen fehlt in Frankreich bis heute. In Ruandas Hauptstadt Kigali bleibt das französische Kulturzentrum geschlossen, der Posten des französischen Botschafters unbesetzt.

Sie verlor 1994 viele Angehörige

Louise Mushikiwabo, geschliffene und verbindliche 57-jährige Diplomatin, zeitweise als Nachfolgerin des aktuellen Präsidenten Paul Kagame gehandelt, steht auch persönlich für diese Geschichte.

Ihr Bruder Landoald Ndasingwa war der prominenteste zivile Tutsi-Politiker Ruandas vor dem Völkermord. Er wurde wie viele andere aus ihrer Familie in den ersten Tagen des Genozids getötet. Sein Hotel „Chez Lando“ in Kigali, nach wie vor im Familienbesitz, wurde danach mit seiner legendären Grillterrasse zum beliebten Treffpunkt für Tutsi-Überlebende und RPF-Kader, die von ihm gegründete „Liberale Partei“ gilt bis heute als Partei der Frankophonen in Ruanda.

Paul Kagame nannte Mushikiwabos Wahl einen „Neubeginn“ für die Beziehungen zu Frankreich: „Es wird viel passieren.“

Links lesen, Rechts bekämpfen

Gerade jetzt, wo der Rechtsextremismus weiter erstarkt, braucht es Zusammenhalt und Solidarität. Auch und vor allem mit den Menschen, die sich vor Ort für eine starke Zivilgesellschaft einsetzen. Die taz kooperiert deshalb mit Polylux. Das Netzwerk engagiert sich seit 2018 gegen den Rechtsruck in Ostdeutschland und unterstützt Projekte, die sich für Demokratie und Toleranz einsetzen. Eine offene Gesellschaft braucht guten, frei zugänglichen Journalismus – und zivilgesellschaftliches Engagement. Finden Sie auch? Dann machen Sie mit und unterstützen Sie unsere Aktion. Noch bis zum 31. Oktober gehen 50 Prozent aller Einnahmen aus den Anmeldungen bei taz zahl ich an das Netzwerk gegen Rechts. In Zeiten wie diesen brauchen alle, die für eine offene Gesellschaft eintreten, unsere Unterstützung. Sind Sie dabei? Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

0 Kommentare

  • Noch keine Kommentare vorhanden.
    Starten Sie jetzt eine spannende Diskussion!