Routendienst will deutsche Straßen fotografieren: Google Bürgersteig
Mit "Street View" kann man bei Google Bürgersteige und Straßen großer Städte in den USA im Netz ansehen. Nun drängt der umstrittene Service nach Europa. Nächster Halt: Deutschland.
Das Google-Fahrzeug ist unscheinbar: Auffällig an dem schwarzen Kleinwagen ist allein eine runde Konstruktion auf dem Dach, die ein bisschen nach Funkauto oder Flugzeugradar aussieht. Mit solchen und ähnlichen Vehikeln fahren Abgesandte des Internet-Konzerns derzeit durch Städte auf der ganzen Welt - und sie fotografieren Schritt um Schritt automatisiert die Umgebung. Eingespeist werden all diese Bilder dann in einen Online-Service, der sich "Street View", Straßenansicht, nennt. Er ist Teil des populären Routendienstes "Google Maps" und soll dessen Satellitenbilder und Kartendarstellungen um hochauflösende Aufnahmen aus der Bürgersteigperspektive ergänzen.
Nachdem mehr als 40 US-Städte inklusive ihrer Vororte bereits abgedeckt sind, kommt Street View nach Abstechern nach Australien und Japan nun auch nach Europa. In Italien und Spanien waren die Google-Fahrzeuge bereits unterwegs, auch in Frankreich waren die mit Laser-Scannern ausgestatteten Vehikel schon zu sehen. Wer meinte, Deutschland bleibe womöglich aus Datenschutzgründen von der Erfassung verschont, sieht sich nun eines Besseren belehrt: Wie ausgerechnet Peter Fleischer, für den Bereich Privatsphäre zuständiger Manager bei dem Konzern, nun gegenüber dem Nachrichtenmagazin Focus mitteilte, will man bald auch zwischen Hamburg und München Fotowagen losschicken. "Wir sind deswegen in Europa unterwegs und wollen auch nach Deutschland kommen", sagte er. Datenschützer müssten sich aber keine Sorgen machen, weil der Konzern dabei jeweils "zur Wahrung der Privatsphäre Gesichter und Kfz-Kennzeichen unkenntlich machen" werde.
Wie und ob das wirklich funktioniert, ist allerdings unklar. Aktuelle Bilder aus den USA, wo teils deutlich weniger strikte Datenschutzregelungen als in Europa herrschen, zeigen ein inkonsistentes Bild. So tausche Google kürzlich Aufnahmen aus Manhattan gegen neuere Varianten mit verschwommenem Gesichtsbereich aus - auch nachdem es Kritik von Betroffenen gegeben hatte. Die Technik ist jedoch keineswegs perfekt: So konnte sich etwa im Central Park ein Pferd über Anonymität freuen, während auf dem nächsten Bild Joggergesichter gut sichtbar waren. (Die Aufnahme sorgte in vielen Blogs für Vergnügen.) Ob sich hier ein Google-Mitarbeiter einen Scherz erlaubt hat oder eine wie auch immer geartete automatisierte Technik zur Gesichtserkennung Kapriolen schlägt, blieb offen.
Die Aufnahmen sorgen sowieso für allerlei Spaß: In den ersten Street View-Versionen erkannten Nutzer Menschen, die in Pornoshops gingen, öffentlich urinierten oder gar eine Waffe zückten. Auf einigen Websites werden diese Zufallsfunde festgehalten. Geknipst wird von Google dabei nicht jeder: So ließ etwa das US-Militär Teile seiner Gebäude aus dem Straßenkartenservice nachträglich herausnehmen - eine Praxis, die bei Satellitenaufnahmen schon seit längerem Standard ist.
In Europa traf das Street View-Team auch gegenüber anderen Personenkreisen auf wenig Gegenliebe: So soll es laut Medienberichten in Paris einige Betroffene geben, die erwägen, wegen Verletzung des Rechtes am eigenen Bild zu klagen, das in Frankreich besonders streng ist. Ein Google-Sprecher betonte, man werde sich stets an örtliches Recht halten.
In Deutschland scheint nicht nur Google an einer umfangreichen Bildersammlung der Straßenlandschaft interessiert. Wie ebenfalls der Focus berichtet, arbeite die Deutsche Post AG an einem ähnlichen Projekt. Der Konzern gab an, man arbeite an einer "Bilddatenbank von deutschen Städten". Die zuständige Datenschutzbehörde in NRW soll das Projekt laut Focus bereits prüfen. Die Post wolle ihre Adressendatenbank mit Hilfe der Aufnahmen statistisch auswerten und zudem "virtuelle Stadtbesuche" anbieten. In der Tat könnten solche Aufnahmen den Postlern helfen, ihre Brief- und Päckchenrouten zu optimieren. Googles Straßenerfassung dient hingegen nur einem Zweck: Durch den umfangreichen Datenschatz dürfte man Platz für ortsbezogene Reklame schaffe wollen. Ein Restaurant, das auf einem "Street View"-Bild erscheint, könnte dann beispielsweise gleich sein aktuelles Tagesmenü bewerben.
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