Rot-schwarzer Aktionismus: Beim Saufen durchgefallen
Der neue Senat will alles mögliche prüfen lassen. Beim groß angekündigten Alkoholverbot für Minderjährige steht schon jetzt fest, dass daraus nichts wird.
Mit einem Akoholverbot für unter 18-Jährige wollten die frischgebackenen Koalitionsparteien und insbesondere die CDU punkten. Nun ergab eine kleine Anfrage der Grünen: Mehr als eine Bundesratsinitiative ist nicht drin. Als "Schaumschlägerei" bezeichnete die Jugendexpertin der Grünen, Clara Herrmann, solche Ankündigungen, "von denen man schon vorher weiß, dass sie scheitern".
Bislang dürfen laut bundesweit geltendem Jugendschutzgesetz bestimmte alkoholische Getränke wie Bier oder Wein auch an Minderjährige ab 16 Jahren verkauft werden. Während der Koalitionsverhandlungen forderte Mario Czaja, CDU-Verhandlungsführer im Bereich Gesundheit, gegen jugendliche Alkoholexzesse wie Komasaufen vorzugehen. Die Koalition werde daher prüfen, "ob ein generelles Verbot als landesrechtliche Lösung möglich ist", erklärte der CDU-Politiker.
Schon zu diesem Zeitpunkt hagelt es Kritik. Berlin habe überhaupt keine Befugnis, hieß es etwa vom Jugendschutzexperten der Bundes-CDU. Wie nun bekannt wurde, sah auch der damals noch amtierende rot-rote Senat keine Möglichkeit für ein Berliner Alkoholverbot. Auf die kleine Anfrage der Grünen antwortete die zuständige Bildungssenatsverwaltung Mitte November: "Zur Änderung dieses Bundesgesetzes müsste Berlin eine Bundesratsinitiative anstrengen." Inwieweit diese erfolgreich verlaufen würde, "bliebe abzuwarten".
Die Verfasser der Koalitionsvereinbarung ließen sich davon nicht beirren. In der am 21. November verabschiedeten Version steht: "Die Koalition wird ein Verbot des Verkaufs von Alkohol an Personen unter 18 Jahren prüfen." Etwas anderes wollte Czaja, inzwischen Senator für Gesundheit und Soziales, auch am Sonntag nicht sagen.
Das Alkoholverbot ist nicht das einzige Thema, das Rot-Schwarz prüfen und dann "gegebenenfalls" umsetzen will. Fast 50 Mal steht das Wort "prüfen" in der Koalitionsvereinbarung. Hier eine kleine Auswahl der Themen: Einsatz von Elektro-Wassertaxis, Einrichtung von Berliner Auslandsbüros unter anderem im Nahen Osten, Einführung der digitalen Akte, Zweckentfremdungsverordnung für Ferienwohnungen, Anhebung der Hochhausgrenze, Beschleunigung des Baugenehmigungsverfahrens, Abbau der Verkehrsschilder, elektronische Chipkarte für den Berlinpass, Einsatz von Spezialermittlern für organisierte Kriminalität, Internetzugang für Strafgefangene, Open-Source-Software für die Berliner Justiz, Betrieb der Berliner Bäder als Sportvereine, Fördermittel für ein jüdisches oder türkisches Filmfestival.
Wenn die Ergebnisse der Prüfungen ähnlich ausfallen wie beim Alkoholverbot, dann braucht sich Rot-Schwarz um die Umsetzung keine großen Gedanken mehr machen.
40.000 mal Danke!
40.000 Menschen beteiligen sich bei taz zahl ich – weil unabhängiger, kritischer Journalismus in diesen Zeiten gebraucht wird. Weil es die taz braucht. Dafür möchten wir uns herzlich bedanken! Ihre Solidarität sorgt dafür, dass taz.de für alle frei zugänglich bleibt. Denn wir verstehen Journalismus nicht nur als Ware, sondern als öffentliches Gut. Was uns besonders macht? Sie, unsere Leser*innen. Sie wissen: Zahlen muss niemand, aber guter Journalismus hat seinen Preis. Und immer mehr machen mit und entscheiden sich für eine freiwillige Unterstützung der taz! Dieser Schub trägt uns gemeinsam in die Zukunft. Wir suchen auch weiterhin Unterstützung: suchen wir auch weiterhin Ihre Unterstützung. Setzen auch Sie jetzt ein Zeichen für kritischen Journalismus – schon mit 5 Euro im Monat! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
„Edgy sein“ im Wahlkampf
Wenn eine Wahl als Tanz am Abgrund verkauft wird
Denkwürdige Sicherheitskonferenz
Europa braucht jetzt Alternativen zu den USA
Überraschung bei U18-Wahl
Die Linke ist stärkste Kraft
RTL Quadrell
Klimakrise? War da was?
Absturz der Kryptowährung $LIBRA
Argentiniens Präsident Milei lässt Kryptowährung crashen
Ukraine-Verhandlungen in Saudi-Arabien
Wege und Irrwege aus München