: Rot-grüner Streitpunkt: Geld für die Frauen
Leere Kassen im niedersächsischen Haushalt / Sofortprogramme gefährdet / Frauenministerium mit Kompetenzen auf dem Wunschzettel ■ Aus Hannover Jürgen Voges
Durch ein Meer von gelben Luftballons - Aufschrift: „Kein Atommüll in Schacht Konrad“ - mußten sich gestern morgen im Niedersächsischen Landtag die Kommissionen von SPD und Grünen hindurcharbeiten, bevor sie sich in der zweiten rot -grünen Verhandlungsrunde mit der finanziellen Situation des Landes befassen konnten. Das für die Wähler enttäuschende Ergebnis dieses „Kassensturzes“ verkündeten die Verhandlungsführer Gerhard Schröder und Jürgen Trittin am Mittag. Die für 1991 erwarteten Steuermehreinnahmen des Landes von 1,1 Milliarden DM seien durch Rechtsverpflichtungen der alten Regierung und durch absehbare Steigerungen bei den Personalkosten mehr als aufgebraucht. „Es gibt große Schwierigkeiten, die Sofortprogramme umzusetzen“, dämpfte Gerhard Schröder alle im Wahlkampf geweckten Erwartungen. Die Koalitionäre hatten sich bis dahin auch schon auf Grundzüge der künftigen Rechtspolitik verständigt. So soll bei Drogenabhängigkeit und -kriminalität künftig der Grundsatz Hilfe statt Strafe gelten. Jürgen Trittin kündigte mehr Therapieplätze an und ein „Methadonprogramm, das den Namen wirklich verdient“. Eine auf drei Jahre eingesetzte Kommission soll über Bundesratsinitiativen versuchen, das Strafrecht zu entpolitisieren und von antiliberalen Positionen zu befreien.
Am heutigen Mittwoch steht der strittige Punkt Energiepolitik und - ein weiterer für die Grünen entscheidender Bereich - die Frauenpolitik auf der Tagesordnung. Für ein niedersächsisches Frauenministerium, das auch nach dem SPD-Programm „bei allen Maßnahmen der Landeregierung mit frauenpolitischer Relevanz Vetorecht“ haben soll, haben sich im Wahlkampf beide Parteien stark gemacht. Die Grünen wollen das neue Ressort mit einer der ihren besetzen und die SPD hat längst Zustimmung zu einer den Grünen angehörenden Frauenministerin signalisiert. Nach der SPD-Vorstellungen darf allerdings das Frauenministerium „kein zusätzliches Geld kosten“. Eine ganz andere Auffassung hat da allerdings Christa Karras, die als Mitglied der Verhandlungskommission der Grünen in der heutigen Runde die Fraueninteressen zu vertreten hat. Die bisherige Frauenreferentin der Grünen-Landtagsfraktion geht mit einem detaillierten Organisationsplan des neuen „feministischen Ministeriums“ in die Verhandlungen und will einen Frauenetat von zehn Millionen jährlich durchsetzen.
„Das Frauenministerium soll ein fachkompetentes Querschnittsministerium werden mit dem Recht, in andere Bereiche anderer Ressorts, wie etwa die Hochschulgesetzgebung, im Interesse der Frauen hineinzuwirken“, sagt Christa Karras. Der wichtigste Gesetzentwurf aus dem künftigen Frauenministerium wird nach Ansicht von Christa Karras ein Quotierungsgesetz werden, für dessen Verabschiedung bereits in den Verhandlungen ein konkreter Termin festgelegt werden solle.
Welche Frau nun die „erste feministische Ministerin“ in Niedersachsen wird, wollen die Grünen erst nach Abschluß der Sachverhandlungen entscheiden. Christa Karras macht allerdings keinen Hehl daraus, daß sie sich selbst Hoffnungen auf dieses Amt macht. Sie hat allerdings eine bei den Grünen prominente Konkurrentin: Die Bundestagsabgeordnete Waltraut Schoppe.
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