Rot-Weiß Essen vor Pokal-Achtelfinale: „Wir wollen hoch“
Marcus Uhlig, Vorsitzender von Rot-Weiß Essen, empfängt Bayer Leverkusen und spricht über schlechten Rasen und viel Hoffnung.
taz: Herr Uhlig, in Ihrer Jugend wollten Sie vom MSV Moers zu Rot-Weiss Essen wechseln. Wie alt waren Sie da?
Marcus Uhlig: Das war mit 14 – Mitte der 80er Jahre in der C-Jugend. Da hatte ich ein Angebot für ein Probetraining in Essen, aber das haben mir meine Eltern schön abmoderiert. Frei nach dem Motto: Junge, schlag dir diese Flausen mal aus dem Kopf und konzentrier dich auf die Schule. Und wie die Eltern das entschieden haben, so hat man das dann auch gemacht.
Waren Sie damals schon Fan von Rot-Weiß Essen?
Ich habe mich schon lange vor dieser Geschichte für Fußball interessiert, hatte in den ersten Jahren aber nicht den einen Lieblingsverein. Zu meinem Lieblingsverein wurde RWE am Ostermontag 1985. Das war in der Oberliga, damals die dritthöchste Liga, Rot-Weiss gewinnt gegen Schwarz-Weiß Essen 3:1. Spitzenspiel in der Oberliga Nordrhein, Stadtderby, 30.000 Zuschauer. Da war ich mit meinem Bruder Carsten zum ersten Mal bei RWE im Stadion, und da war es dann um uns geschehen.
RWE-Jahrhunderttrainer Jürgen Röber erklärte vor Kurzem, der Verein habe ein „unfassbares Potenzial“ und gehöre in die Bundesliga. Was sind Ihre Pläne?
Dieser Klub gehört zu den ganz wenigen, ganz besonderen, relativ weit unten stehenden Traditionsklubs – in einer Riege mit 1860 München, Eintracht Braunschweig und Kickers Offenbach. Klubs mit einem sehr großen, nicht totzukriegenden Fanumfeld – in dem aber auch viele Leute mitreden. Es ist schwierig, solche Klubs zu managen. Aber wenn man da einmal einen roten Faden reinbekommen hat, ist man einen großen Schritt weitergekommen. Dieser Verein hat in der Vergangenheit zu viel über das Übermorgen und das Vorgestern gesprochen, das Hier und Jetzt aber vergessen. Wir müssen erst einmal das kleinste Nadelöhr im deutschen Fußball erfolgreich durchschreiten: nämlich von der vierten in die dritte Liga kommen. Das Potenzial von Rot-Weiss Essen ist groß, und das wollen wir heben. Wir wollen hoch – auch mit aller Macht.
Wenn Sie durchs Nadelöhr kommen, sind dann auch ein paar Zuschauer dabei?
Diese Hoffnung haben wir schon, dass wir ab Ostern zumindest über ein Teilöffnungsszenario in den Stadien nachdenken dürfen. Es wäre schon ein Stück weit Ironie des Schicksals, wenn du hier mit RWE den größten Erfolg seit zig Jahrzehnten schaffst – und keiner von den Fans, für die wir das alle machen, dabei sein kann. Wir gewöhnen uns gerade zwangsläufig daran, ohne Zuschauer zu spielen. Aber ich kann und will mich daran einfach nicht gewöhnen. Das fühlt sich so was von falsch, so was von blöd an, gerade in Essen.
Der 49-Jährige ist seit 2017 Vorsitzender von Rot-Weiß Essen. Der Klub war 1955 Deutscher Meister, hier spielten u. a. Helmut Rahn, Otto Rehhagel, „Ente“ Lippens.
Jetzt steht das Pokal-Achtelfinale gegen Leverkusen an. Ist Ihr schlechter Rasen gut für RWE?
Ich denke, dass dieser Platz Bayer Leverkusen nicht gefallen wird. Wir werden mit unseren bescheidenen Mitteln versuchen, ihn bestmöglich zu präparieren – weil wir auch Fußball spielen wollen. Aber das ist schon ein Thema bei uns. Zumal nicht nur wir auf diesem Rasen spielen, sondern auch unsere Bundesliga-Damen von der SGS Essen. Der Platz ist in den letzten Monaten über die Maßen beansprucht worden – und das sieht man jetzt. Das ist schon eine kleine Buckelwiese.
In der Regionalliga hat RWE erst zwölf Gegentore kassiert. Hält Ihre Defensive gegen Leverkusen?
Ich überlege mir gerade, welche Antwort da nicht vermessen ist. Wir sprechen über Bayer Leverkusen – da kommt schon eine gehörige Qualität auf uns zu. Aber klar: Unsere Defensive muss man erst mal knacken. Wir wollen so lange wie möglich die Null halten – und schnell dafür sorgen, dass die Leverkusener möglichst wenig Bock auf dieses Spiel haben.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Israelische Drohnen in Gaza
Testlabor des Grauens
Proteste bei Nan Goldin
Logiken des Boykotts
Bundeskongress der Jusos
Was Scholz von Esken lernen kann
Bündnis Sahra Wagenknecht
Ein Bestsellerautor will in den Bundestag
Nan Goldin in Neuer Nationalgalerie
Claudia Roth entsetzt über Proteste
Schwedens Energiepolitik
Blind für die Gefahren