Rot-Rot erweitert Bewegungsraum für Flüchtlinge: Reisefreiheit für Asylbewerber
Berlin und Brandenburg wollen die Residenzpflicht für Asylbewerber abschaffen. Damit könnten sich Flüchtlinge in und zwischen beiden Ländern frei bewegen.
Asylbewerber sollen sich in Zukunft sowohl in Berlin und Brandenburg wie auch zwischen beiden Ländern frei bewegen können. Das erklärten Brandenburgs designierter Sozialminister Günter Baaske (SPD) und Berlins Linken-Fraktionschef Udo Wolf übereinstimmend der taz.
Bisher dürfen Asylbewerber aus Berlin die Stadt nicht ohne behördliche Genehmigung verlassen. In Brandenburg braucht man eine Genehmigung der Ausländerbehörde, um eine Landkreisgrenze überschreiten zu dürfen.
Grundlage ist die - europaweit einmalige - sogenannte Residenzpflicht, die im Asylverfahrensgesetz, einem Bundesgesetz, geregelt ist. Für Betroffene ist Bewegung damit teuer und bürokratisch: Wer zum Anwalt oder zu Verwandten nach Berlin will, muss vorher beim Landratsamt um Erlaubnis fragen. Wer ohne Genehmigung fährt, macht sich strafbar.
Der in Potsdam zwischen SPD und Linken vereinbarte Koalitionsvertrag sieht vor, die Residenzpflicht innerhalb Brandenburgs aufzuheben. "Zudem wollen wir gemeinsam mit Berlin die Residenzpflicht zwischen unseren Bundesländern aufheben", sagt Baaske. "Das dient der Humanität gegenüber den Asylbewerbern, aber auch ihrer Integration und damit dem Land." Seine Partei habe das schon lange gewollt. "Mit der CDU ging das aber nicht", so Baaske.
An Berlin wird es kaum scheitern. Linken-Fraktionschef Udo Wolf sagt der taz: "Beide Koalitionsvereinbarungen, die wir mit der SPD geschlossen hatten, sahen eine Aufhebung der Residenzpflicht für Asylbewerber zwischen Berlin und Brandenburg vor. Doch Berlins Innensenator Ehrhart Körting (SPD) hat von Brandenburgs Jörg Schönbohm (CDU) einen Korb bekommen." Wenn jetzt der politische Wille in Potsdam da ist, so Wolf, "können wir ein altes Anliegen endlich umsetzen".
Die Menschenrechtsorganisation Pro Asyl begrüßt die Erleichterung der Bewegungsfreiheit. "Das ist sehr positiv", sagt der rechtspolitische Referent von Pro Asyl, Bernd Mesovic. Die Bewegungsfreiheit käme Flüchtlingen vor allem im ländlichen Raum zugute: "Sie brauchen den Zugang zur Großstadt, wo Beratungsstellen, die eigene Community und Anwälte zur Verfügung stehen." Die Abschaffung der Residenzpflicht würde zudem zu einer "Bereinigung der Kriminalitätsstatistik" führen: Denn der Verstoß dagegen stelle die statistisch häufigste Gesetzesübertretung von Asylbewerbern dar und könne bei Wiederholung sogar verhindern, ein Bleiberecht über die Altfallregelung zu bekommen.
Eine so umfassende Abschaffung der Residenzpflicht gleich in zwei benachbarten Bundesländern wäre ein bundesweites Novum. Bisher haben einige Flächenländer immerhin die Bewegungsfreiheit für Asylbewerber von Landkreisen auf Regierungsbezirke ausgedehnt, allein im kleinen Saarland herrscht jedoch komplette Bewegungsfreiheit. Laut einem im Auftrag des Brandenburgischen Flüchtlingsrat erstellten juristischen Gutachten ist das Vorhaben juristisch machbar, wenn beide Bundesländer eine Vereinbarung schließen. Will ein Asylbewerber nach Hamburg oder Hannover fahren, würde er allerdings auch weiterhin eine Genehmigung brauchen. Oder macht sich strafbar.
Bernd Mesovic, Pro Asyl
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