Rot-Grün in NRW baut Landwirtschaft um: Warum liegt hier eigentlich Stroh?
Der grüne Agrarminister des Bundeslandes kürzt Zuschüsse für besonders große Ställe – und gibt Biolandwirten mehr Geld. Das soll Umwelt und Tieren nützen.
BERLIN taz | Nordrhein-Westfalens Agrarminister Johannes Remmel (Grüne) verwirklicht seine Ankündigungen zum ökologischen Umbau der Landwirtschaft: Als erstes Bundesland streicht NRW die Subventionen für den Bau besonders großer Ställe. Die Investitionsförderung solle es nur noch zum Beispiel für Anlagen mit maximal 15.000 Hennen, 600 Rindern oder 1.500 Mastschweinen geben, teilte das Ministerium mit.
Dafür bekommen Remmels Plänen zufolge Bauern, die gerade auf Bio umgestellt haben, bis zu 33 Prozent höhere Zuschüsse als bisher. Damit liegt Nordrhein-Westfalen bundesweit an der Spitze.
Wenn die EU-Kommission wie erwartet den Beschlüssen zustimmt, könnten sie bereits 2011 in Kraft treten und deutschlandweit Modellcharakter haben. Schließlich gehört NRW zu den drei Bundesländern mit dem größten Anteil am Umsatz der deutschen Agrarwirtschaft.
Der Zuschuss für Investitionen in tiergerechte Haltungsverfahren soll ebenfalls steigen – von 30 auf 35 Prozent der Kosten. Große Unternehmen schneiden auch hier künftig schlechter ab: Milchviehbetriebe mit mehr als 150 Kühen bekommen nur noch 25 Prozent ersetzt.
Extrageld für Laufställe und Erosionsschutz
Geld soll es künftig extra für Bauern geben, die ihre Tiere in Laufställen mit Stroh auf dem Boden halten. Eine Zusatzprämie wird auch fällig, wenn Landwirte in besonders erosionsgefährdeten Gebieten kaum noch pflügen. Denn Pflügen begünstigt das Wegschwemmen von Boden bei starkem Regen. Zudem will Remmel den Anbau von Hülsenfrüchten als Futter stärker fördern, um die Abhängigkeit etwa von Sojaimporten zu mindern.
"Wir benötigen diese Anreize, um Umweltverträglichkeit und Nachhaltigkeit in der gesamten Landwirtschaft voranzubringen", erklärte der Minister. Seinem Sprecher zufolge werden sie finanziert, indem Geld innerhalb des Agrarhaushalts "umgeschichtet" wird.
Größte Bauernorganisation lehnt Maßnahmenpaket ab
Die größte Bauernorganisation in NRW, der Westfälisch-Lippische Landwirtschaftsverband, lehnte das Maßnahmenpaket wegen der Kürzungen zulasten großer Betriebe ab. "Tierschutz ist keine Frage der Bestandsgröße, sondern der Stalleinrichtung oder des Umgangs der Leute mit den Tieren", sagte ein Sprecher.
Eckehard Niemann dagegen, Agrarindustrieexperte der ökologisch orientierten Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft, argumentiert, tierfreundliche Haltung mit Auslauf und Stroh sei nur in kleineren Ställen möglich. "Bei 40.000 Sauen würde der Platz nie ausreichen." Außerdem würden kleinere Ställe die unmittelbare Umwelt weniger mit Gestank und Gülle belasten.
Reinhild Benning vom Bund für Umwelt und Naturschutz begrüßte vor allem die stärkere Förderung der Biolandwirtschaft. Diese verursache weniger Treibhausgase und schone Gewässer und Artenvielfalt, weil sie auf chemisch-synthetische Pestizide und Mineraldünger verzichte.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Stockender Absatz von E-Autos
Woran liegt es?
Kürzungen im Berliner Haushalt
Kultur vor dem Aus
Bundestag bewilligt Rüstungsprojekte
Fürs Militär ist Kohle da
Grüne über das Gezerre um Paragraf 218
„Absolut unüblich und respektlos“
BSW-Chefin im ZDF
Wagenknecht räumt Irrtum vor russischem Angriff ein
Erfolg gegen Eigenbedarfskündigungen
Gericht ebnet neue Wege für Mieter, sich zu wehren