Rot-Grün feiert Comeback: Sozis specken ab
Nach schweren Verlusten sucht die SPD in allen Bezirken einen Koalitionspartner. Bereit stehen die Grünen.
HAMBURG taz |Massive Stimmenverluste muss die SPD bei den Wahlen zu den sieben Bezirksversammlungen am Sonntag hinnehmen. Mit nur nur noch 35,2 Prozent – 9,7 Punkte weniger als bei der Wahl 2011 – bleibt sie allerdings stärkste politische Kraft vor der CDU mit 24,8 Prozent (plus 1,6), den Grünen mit 18,2 Prozent (plus 4,0) und der Linken mit 10,2 Prozent (plus 3,2). Die „Alternative für Deutschland“ (AfD) schaffte den Sprung in alle sieben Bezirksversammlungen, die FDP bleibt immerhin noch in fünf, und die Piratenpartei in zwei.
Nachdem sie ihre absoluten Mehrheiten in Bergedorf und Harburg eingebüßt hat, ist die SPD jetzt in allen Bezirken auf einen Koalitionspartner angewiesen. Rein arithmetisch kommen dafür nur Grüne und die CDU in Frage. Die zerstrittene rot-grüne Koalition in Altona aber soll vorerst nicht fortgeführt werden. Zumindest bis zur Bürgerschaftswahl im Februar 2015 soll hier mit wechselnden Mehrheiten regiert werden.
Im Hinblick darauf sind die bezirklichen Wahlergebnisse vom Sonntag eine herbe Klatsche für die Sozialdemokraten, die in Hamburgs Rathaus allein regieren. Die Hauptthemen bezirklicher Politik sind Wohnungen und Straßen, Soziale Dienste und Bürgerservice, und zumindest mit dem Wohnungsneubau und der Straßensanierung hatten die Sozialdemokraten zwei Topthemen in den Vordergrund gestellt – erfolglos, wie sich jetzt zeigt. Das wird zu neuen Akzentuierungen im Bürgerschaftswahlkampf führen.
Koalo-Nachdenken
Das vorläufige Endergebnis bei den Bezirksversammlungswahlen 2014 (2011):
Hamburg Durchschnitt:
Wahlbeteiligung: 41,0 (54,3)
SPD 35,2 (44,9)
CDU 24,8 (23,2)
Grüne 18,2 (14,2)
Linke 10,2 (7,0)
FDP 3,9 (6,0)
Piraten 2,7 (2,7)
AfD 4,5 (---)
Sonstige 0,5 (1,9)
Bezirk Mitte:
Wahlbeteiligung: 31,2 / 51 Sitze
SPD 36,9 (47,4) / 19
CDU 18,5(17,6) / 10
Grüne 18,1 (14,5) / 10
Linke 14,1 (10,0) / 7
FDP 2,3 (3,9) / ---
Piraten 4,4 (4,7) / 2
AfD 5,1 (---) / 3
Bezirk Altona:
Wahlbeteiligung: 47,2 / 51
SPD 30,0 (40,2) / 16
CDU 23,3 (21,6) / 12
Grüne 22,1 (16,6) / 12
Linke 14,0 (9,2) 7
FDP 4,4 (6,5) / 2
Piraten 2,5 (2,4) / ---
AfD 3,3 (---) / 2
Sonstige 0,3 /---
Bezirk Eimsbüttel:
Wahlbeteiligung: 46,0 / 51
SPD 33,3 (42,9) / 18
CDU 22,7 (21,8) / 12
Grüne 23,1 (18,1) / 12
Linke 9,8 (6,4) / 5
FDP 4,5 (6,3) / 2
Piraten 2,6 (2,9) / 0
AfD 3,9 (---) / 2
Bezirk Nord:
Wahlbeteiligung: 44,4 / 51
SPD 33,9 (44,5) / 17
CDU 23,7 (21,3) / 12
Grüne 21,1 (16,5) / 11
Linke 9,5 (6,4) / 5
FDP 4,3 (6,4) / 2
Piraten 3,5 (2,6) /2
AfD 3,7 (---) / 2
Bezirk Wandsbek:
Wahlbeteiligung: 41,6 / 57
SPD 37,9 (46,5) / 20
CDU 29,3 (27,0) / 14
Grüne 13,2 (11,0) / 7
Linke 7,2 (5,2) / 5
FDP 3,9 (7,2) / 2
Piraten 1,9 (1,9) / ---
AfD 5,5 (---) / 3
Sonstige 0,9 / ---
Bezirk Bergedorf:
Wahlbeteiligung: 37,7 / 45
SPD 39,3 (47,9) / 19
CDU 28,5 (28,4) / 14
Grüne 12,3 (9,5) / 6
Linke 9,2 (6,5) / 4
FDP 2,2 (3,6) / ---
Piraten 2,0 (2,7) / ---
AfD 4,5 (---)/ 2
Sonstige 1,8 /---
Bezirk Harburg:
Wahlbeteiligung: 36,4 / 51
SPD 38,6 (48,4) / 20
CDU 26,6 (26,2) / 14
Grüne 13,5 (10,4) / 7
Linke 8,9 (6,5) / 5
FDP 4,4 (4,9)/ 2
Piraten 2,1 (1,7) / ---
AfD 6,0 (---) / 3
Für die oppositionellen CDU, Grüne und Linke ist das Schwächeln der SPD hingegen ein Muntermacher. Sie dürfen auch bessere Wahlergebnisse als 2011 hoffen und darauf, dass die SPD die absolute Mehrheit verliert. Vor allem die Grünen werden jetzt intensiv mit dem Nachdenken über rot-grüne Bündnisse beginnen – erst in den meisten Bezirken, im nächsten Jahr im Rathaus. In einer Bürgerschaft mit CDU, Linken und AfD statt FDP wären die Grünen der erste Ansprechpartner für eine geschwächte SPD.
Die Wahlbeteiligung sank auf den Minusrekordwert von nur noch 41,0 Prozent, an der parallel stattfindenden Europawahl nahmen 43,7 Prozent teil. 2011 hatte sie noch bei 54,3 Prozent gelegen. Damals waren die Bezirksversammlungen letztmalig zusammen mit der Bürgerschaft gewählt worden. SVEN-MICHAEL VEIT
ausführliche Zahlen zu den Bezirkswahlen auf
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Grünen-Abgeordneter über seinen Rückzug
„Jede Lockerheit ist verloren, und das ist ein Problem“
Historiker Traverso über den 7. Oktober
„Ich bin von Deutschland sehr enttäuscht“
Elon Musk greift Wikipedia an
Zu viel der Fakten
Hoffnung und Klimakrise
Was wir meinen, wenn wir Hoffnung sagen
Nach dem Anschlag in Magdeburg
Das Weihnachten danach
Die Wahrheit
Glückliches Jahr