■ Rosi Rolands Bremer Geschichten: Wo Markt-Gewalt regiert
Als die Delegierten der Bremer SPD Ende 1994 be-schworen wurden, dem Verkauf von 49 Prozent der Stadtwerke-Anteile zuzustimmen, gab es kritische Stimmen: Bleibt die Mehrheit der Stadtwerke bei der Stadt? Würde Bremen das Heft in der Hand behalten? Ja, schworen die Befürworter des Anteilsverkaufs, und bekamen eine Mehrheit.
Die Ansage des Finanzsenators Hartmut Perschau Ende des Jahres 1997, weitere Stadtwerke-Anteile müßten verkauft werden, um Lücken im Etat 1999 zu schließen, ging den Genossen daher heftig an die Nieren. Besonders die Umweltsenatorin war erbost, die gleichzeitig – wegen der kommunalen Mehrheit – Aufsichtsratsvorsitzende der Stadtwerke-AG ist: Offenkundig hatte Stadtwerke-Chef Gerhard Jochum, selbst SPD-Mitglied, die Verkaufs-Idee hinter ihrem Rücken dem CDU-Mann durchgesteckt.
Anfang des Jahres traf man sich im kleinen Kreise, um die Frage zu bereinigen, Umweltsenatorin Tine Wischer war dabei, der SPD-Fraktionsvorsitzende Christian Weber. Bürgermeister Henning Scherf sprach ein barsches Machtwort zu dem Genossen Jochum: Vor der Wahl 1999 könne er eine Verkaufs-Debatte in der SPD nicht gebrauchen. Punkt. Seitdem herrscht Ruhe.
So scheint es. Wenige Tage nach dem Bürgermeister-Machtwort hielt Jochum die Neujahrsansprache vor den Führungskräften seines Unternehmens. Ein Jochum verbreitet da keinen gequirlten Kohl, sondern redet Klartext – etwa zur „Anteilseigner-Struktur“: „Weder simple fiskalische Wunschvorstellungen noch Parteitagsbeschlüsse und ideologische Vorbehalte“würden ihn interessieren, also weder die Sorgen der CDU noch die der SPD. Der Strom-„Eigenerzeugungsanteil“der Stadtwerke, also das, was Arbeitsplätze sichert, „wird deutlich reduziert“, „zügig und konsequent“. Und „gesellschaftrechtliche Kooperationen“seien ein „Schlüssel für den Zukunftserfolg“. Nur internationale Konzerne werden in zehn Jahren noch einen Platz auf dem Energie-Markt haben, kleine kommunale Stadtwerke haben keine Chance, wer da „zu langsam ist oder Angst hat, radikal ... zu denken, ... der handelt im Interesse des Unternehmens verantwortungslos. Wir werden das nicht tun, das verspreche ich Ihnen“, fuhr Jochum fort – alle Führungskräfte im Saal wußten, daß es da um die Politik und die Aufsichtsratsvorsitzende ging – „einzelne Konflikte dabei durchaus sehend und in Kauf nehmend.“ Rosi Roland
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