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Rosa von P.

■ betr.: "Praunheim - 'der Verräter'", und "Aufruhr in der Schwulenszene", taz vom 18.5.90

betr.: „Praunheim - 'der Verräter'“, und „Aufruhr in der Schwulenszene“, taz vom 18.5.90

Ich finde es schockierend, aber rückschlüssig wie Mitarbeiter der Aids-Hilfe sowie beleidigte Schwule, nun gegen Rosa von Praunheim hetzen. Man setzt sich erst gar nicht mit dem Inhalt seiner Kritik auseinander, sondern greift ihn persönlich an. Wer es wagt, das dubiose, „phantasievolle Herzblutengagement“ der Aids-Hilfen in Frage zu stellen und obendrein die Sex- statt Aids-Todeslust der Leute zur Sprache bringt, der ist schizophren und ein Denunziant. Seinen Film boykottiert man lieber auch, denn einem Verräter gebührt Ignoranz. Nicht auszudenken, wenn der Film nun lehrreich und wertvoll ist. Wer wäre dann schizophren? (...)

Martina Wolter und zwei weitere unleserliche Unterschriften, Aachen

(...) Der Gedanke, daß der Artikel nur dazu dienen soll, Promotion für diesen Film zu machen, drängt sich auf. Aber nicht jedes Mittel ist für einen guten Zweck recht; manche machen ihn wie in diesem Falle zunichte.

Daß Aids nicht längst viel weiter ausgebreitet ist, nicht schon viel mehr Opfer von uns gefordert hat, ist eine ganz große Leistung der Schwulenszene und nicht zuletzt der Aids -Hilfen. Nicht die Anzahl unserer sexuellen Kontakte machen uns krank, sondern der ungeschütze Kontakt mit dem Virus.

Verhaltensveränderungen wie die, die wir uns angesichts der Bedrohung durch diese Krankheit abgerungen haben, sind gerade auf psycho-sexuellem Gebiet eine ganz komplizierte Sache und erfordern immer wieder gegenseitige Bestätigung, Motivierung, und es ist kaum verwunderlich, daß nicht alle diesen Schwierigkeiten immer gewachsen sind; aber ich glaube nicht, daß es irgendwem hilft, wenn Rosa so tut, als ob „unsafe„-Verhaltensweisen wieder im Kommen wären, Aids tabu wäre, Kondome in „kommerziellen Bars verpönt wären, notwendige Informationen fehlten; aber das Herumliegen von Kondomen und guten Informationen reichen eben nicht.

Safer Sex ist mittlerweile unsere Gruppennorm. Trotzdem ist jeder einzelne letztendlich für sich selbst verantwortlich, und wenn Riskantes praktiziert wird, sind immer mindestens zwei daran beteiligt. Wenn Rosa diese Selbstverantwortung ablehnt, muß er tendenziell den Polizeistaat wollen - „mehr Gauweiler und weniger Süssmuth“. (...)

Wenn es so scheint, als sei „die Selbstunterdrückung stärker, als die Unterdrückung von außen“, so mag das daran liegen, daß Rosa als Filmemacherin in einer ganz privilegierten Situation ist und persönlich wenig Unterdrückung erfährt, aber in unserem Verhalten ist immer auch eine Menge historischer Erfahrung, und die Angst davor, als Schwuler identifiziert zu werden, ist für die meisten eine ganz reale, täglich wiederbelebte, die nur mit einer starken Gruppe im Rücken durchbrochen, überwunden werden kann. (...)

Egmont Fassbinder, Verlag rosa Winkel GmbH, Berlin

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