Roma auf Herbergssuche: Roma besetzen Kirche
90 Roma ziehen aus Bethanien aus - und in Kreuzberger Kirche ein. Kritik von Senat und Bezirk.
Die Roma-Familien aus dem Bethanien wechseln ihr Asyl: Rund 50 von ihnen besetzten am Donnerstag mit Unterstützern die Sankt-Marien-Kirche in der Kreuzberger Wrangelstraße. Bezirk, Senat und Kirchengemeinde zeigten wenig Verständnis für den Schritt.
Die 90 Rumänen mussten die Räume im Bethanien am Mittag verlassen. Mit Einkaufswagen voller Decken und Habseligkeiten tauchten 50 am Nachmittag in der Marien-Kirche auf. Sie breiteten im Kirchengebäude ihre Schlafsäcke aus, plauderten in den Kirchenbänken und nahmen dort ihr Abendessen ein. Draußen knüpften die Bethanien-Bewohner des "New Yorck" Transparente an den Zaun: "Rassistisch Verfolgte sind keine Touristen" und "Rom heißt Mensch".
Die Aktion habe die Gemeinde überrumpelt, sagte Pfarrer Olaf Pollosek der taz. Man werde die Roma vorerst dulden und nicht die Polizei einschalten. "Ich hoffe, dass wir noch heute eine Lösung finden", so Pollosek. Bis in die Abendstunden trafen sich Gemeindemitglieder mit den Roma sowie Bezirks- und Senatsvertretern, um nach einer Lösung zu suchen. "Die Kirche gibt sich als Institution der Nächstenliebe, deshalb sind wir hierhergekommen", so Michael Goldmann vom "New Yorck". Er kritisierte, dass Bezirk und Senat eine politische Lösung verunmöglicht hätten. Seit zehn Tagen lebten die Roma im Bethanien, zuvor hatten sie im Görlitzer Park kampiert.
Der Senat kritisierte seinerseits die Roma und ihre Unterstützer. Schon die Besetzung im Bethanien sei "widerrechtlich" gewesen, so Innensenator Ehrhart Körting (SPD). Anja Wollny, Sprecherin der Sozialsenatorin Heidi Knake-Werner (Linke), sprach von "verhärteten Fronten". "Vielleicht gelingt es nun der Kirche, hier zu vermitteln."
Auch der Bürgermeister von Friedrichshain-Kreuzberg, Franz Schulz (Grüne), schüttelte den Kopf: "Diese Aktion macht die Situation für die Roma nicht besser." Jugendstadträtin Monika Herrmann (Grüne) sprach von einer weiteren Zuspitzung der Lage, mit der den Roma keinen Gefallen getan werde.
Noch am Mittag wollte der Senat die Familien in ein Flüchtlingsheim in der Spandauer Motardstraße verlegen. Die Roma lehnten das Angebot aber erneut ab. Man wolle nicht hinter Stacheldraht leben. Auch eine Unterstützung zur Rückreise nach Rumänien wiesen die Familien zurück. "Wir wollen doch nur ein Dach über dem Kopf und eine Arbeit finden", klagte der 40-jährige Ion Aurica, fünffacher Familienvater. Er habe in Alexandria, südlich von Bukarest, gelebt, seine Familie sei dort permanenter Verfolgung ausgesetzt gewesen.
Die "New Yorcker" berichteten, dass die Gesellschaft für Stadtentwicklung (GSE), die das Bethanien verwaltet, am Donnerstag den Roma ein Ultimatum gestellt habe. GSE-Chef Dieter Ruhnke widersprach: Man habe Anzeige wegen Hausfriedensbruchs erstellt, aber keine Räumung verlangt. Mitarbeiter der GSE sagen, dass die "New Yorcker" den Auszug selbst forciert hätten. Ihnen sei die Aufnahme der Roma "schlicht über den Kopf gewachsen". Waren anfangs 30 Roma im Bethanien, wurden zuletzt 90 gezählt. "Die Unterkunft hat sich unter Roma herumgesprochen", so der Sozialarbeiter Miman Jasarovski.
Laut Knake-Werner hat die rumänische Botschaft jegliche Übernahme von Kosten für die Roma abgelehnt. Der Senat halte aber weiterhin das Angebot der Motardstraße aufrecht. Bürgermeister Schulz appellierte gerade aufgrund der vielen Kinder für "eine humanitäre Lösung". Die Roma seien aus einer schwierigen Situation nach Berlin gekommen. Der Kreuzberger CDU-Abgeordnete Kurt Wansner sprach dagegen von einem "Missbrauch der Gastfreundschaft". "Das Verhalten der als Touristen eingereisten Roma ist inakzeptabel."
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