Rohstoffe: Arktis heiß umstritten
Ein Viertel aller Gas- und Ölvorräte der Welt werden auf dem Meeresgrund in der Arktis vermutet. Unklar ist, wer die Ressourcen ausbeuten darf.
STOCKHOLM taz "Die Arktis war immer russisch und wird es auch bleiben", rief der Mann mit dem Nikolausbart, der Expeditionsleiter Artur Tschilingarow, nachdem er im Auftrag seiner Regierung in der vorletzten Woche eine russische Flagge aus Titan auf dem Meeresboden unter dem Nordpol verankert hatte. "Der Nordpol ist kanadisches Territorium", antwortete tags darauf der kanadische Außenminister Peter MacKay und machte sich über die russische "Politik des Flaggenhissens wie zu Kolonialzeiten" lustig. Dabei hat man in Kanada in dieser Disziplin Übung. Vor zwei Jahren ließ MacKays Amtsvorgänger auf der kahlen, fußballplatzgroßen Hans-Insel das kanadische Ahornblatt anbringen, um die Ansprüche gegen Dänemark zu demonstrieren.
Auch bei eher friedlichen Politikern scheint der Nordpol die Eroberungsgelüste zu wecken. Die wichtigste außenpolitische Aufgabe der rot-rot-grünen Koalition sei es, den "Souveränitätsanspruch Norwegens in der Arktis" durchzusetzen, meinte vor zwei Jahren Kristin Halvorsen, die Vorsitzende der norwegischen Linkssozialisten.
In den bislang vorwiegend zwischen Russland und Kanada ausgetragenen Streit mischte sich am Sonntag Dänemark mit dem Start einer eigenen Expedition ein. Da Grönland als autonomes Gebiet zu Dänemark gehört, glaubt man dort, die eigenen Ansprüche völkerrechtlich besonders gut legitimieren zu können.
Der Meeresboden in der Arktis ist das größte Gebiet auf diesem Globus, das noch zwischen verschiedenen Staaten umstritten ist. Dort werden reiche Bodenschätze vermutet, US-amerikanische Geologen schätzen, dass ein Viertel der Öl- und Gasreserven der Erde unter der jetzigen Eiskappe lagern.
Mit dem Schmelzen des Eises ist ein weiterer wirtschaftlich interessanter Aspekt verbunden: Eine eisfreie Nordwestpassage würde die Schiffsroute zwischen Europa und Japan und China um etwa 4.000 Kilometer verkürzen.
Eine zentrale Bedeutung bei den völkerrechtlichen Ansprüchen kommt dem Lomonossow-Rücken zu, einer unterseeische Gebirgskette, die sich von den Neusibirischen Inseln bis Grönland und zur kanadischen Ellesmere-Insel erstreckt. Gemäß der UN-Seerechtskonvention können Küstenstaaten auf einem Meeresstreifen von 200 Seemeilen Ansprüche auf die Ressourcen des Meeres und des Meeresbodens erheben. Falls aber ein Land beweist, dass es sich bei dem Meeresgrund um die Fortsetzung des eigenen Festlandsockels handelt, kann die Wirtschaftszone auf 350 Seemeilen ausgeweitet werden, also auf mehr als 600 Kilometer. Die dänische Expedition soll nun belegen, dass die Ausläufer des Lomonossow-Rückens bis in den Norden Grönlands führen.
Vor drei Jahren ratifizierte Dänemark die UN-Seerechtskonvention und hat folglich bis zum Jahr 2014 Zeit, territoriale Ansprüche anzumelden. Für die Zehnjahresfrist ein Jahr vorher. Seine Ansprüche bereits offiziell geltend gemacht hat Russland. Vor sechs Jahren reklamierte man ein 1,2 Millionen Quadratkilometer großes Gebiet. Darüber entschieden hat die UN bislang nicht und fordert zusätzliche Unterlagen.
Aus dem Streit um den Festlandsockel halten sich Norwegen und die USA aus guten Gründen zurück. Denn die norwegische Inselgruppe Spitzbergen ist vom Lomonossow-Rücken zu weit entfernt, ebenso der US-amerikanische Bundesstaat Alaska. Beide Staaten scheinen die Angelegenheit bis auf Weiteres der UN zu überlassen, zumal es ohnehin unwahrscheinlich ist, dass die UN das Gebiet einem Staat allein zuspricht. Eher dürfte es auf eine Kompromisslösung oder auf eine Entscheidung des Internationalen Gerichtshofs in Den Haag hinauslaufen. Die USA und Norwegen erhoffen sich, dass in diesem Fall auch ihre Interessen berücksichtigt werden.
Doch gibt es die Idee, den Streit nicht, wie bislang vorgesehen, gemäß der Seerechtskonvention zu schlichten. Wissenschaftler und Umweltschützer schlagen eine ähnliche Lösung wie für die Antarktis vor, also ein Abkommen, das alle nationalen Ansprüche zurückstellt und in welchem international verbindliche Regeln für eine ökologisch verantwortliche Verwaltung festgeschrieben werden. Für die Antarktis gelang dies vor 50 Jahren. Aber da ging es auch nicht um so interessante Ressourcen wie jetzt in der schmelzenden Arktis.
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