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Rockfestival in RoskildeKein Risiko, kein Spaß

Kommentar von Andreas Becker

Genug Sicherheitsbrimborium: In Roskilde wurden Zelte wegen Überfüllung geschlossen, obwohl noch Platz war. Ansonsten: Neil Young war super.

Lasch oder bestes Festival der Welt? Neil Young zerhackt Gitarren. Bild: ap

Dosenbier in Roskilde? Noch vor Jahren war die Dose in Dänemark verboten, jetzt hat sie sogar auf dem so sehr um seine Umweltbilanz besorgten Festival die Pfandflasche auch auf dem Zeltgelände verdrängt. Den St.-Pauli-Fans, die am Abend vor Festivalstart bei ihrer traditionellen Party den halben Trailerpark mit AC/DC versorgen, kann es egal sein, sie haben Kistenweise Flaschen-Astra gebunkert.

Das Dosending wäre woanders Nebensache, hier zerstört es gleich zu Anfang die letzten Illusionen vom ach so fortschrittlichen kleinen Dänemark. In den Siebzigern wegen Anarcho-Christiania und Windrädern zum Kuba Europas hochstilisiert, das heute mit fremdenfeindlicher Rechtsregierung und Irakkriegsteilnahme glücklich ist, solang die wenigen Restmoslems sich über Karikaturen aufregen. Die Romafrage hat das Festival übrigens auf ganz eigene Art angegangen: Den Kids, die als Pfandsammler unterwegs waren, hat man Sozialarbeiter geschickt und ihnen die Kinderarbeit zum eigenen Schutz verboten. Komisch, bis in die Neunziger sammelten blonde Dänenkinder unbehelligt Flaschen.

Die Crowd wirkt sowieso merkwürdig ungemischt, so gar nicht Kreuzberg, eher wie in ein Heteroeinheitsweiß verpackt. Was bei den Wikingerdorfschönheiten ohne Regenjacken, gern im Bikinoberteil zum Gummistiefel vom letzten Jahr, seinen Charme hatte. So viel zum Wetter. Regen gabs nur bei Bonnie "Prince" Billy, Hot Chip und Jay-Z. Was dem pissegetränkten Randgrün richtig guttat.

Seit 2000 und den neun Toten bei Pearl Jam versucht sich das Festival besonders soft zu gerieren. "Take care of each other" steht auf dem Display und "No Crowd Surfing" - sogar bei so grundharmlosen Acts wie Duffy. Das Ampelsystem vor den großen Bühnen lässt nur begrenzt Leute nach vorn. Ekstase sieht anders aus. Ohne es bekannt zu geben, hat man vor der Orange Bühne Glaskugeln mit Videoüberwachung eingeführt. Sogar bei Notwist wurde das Zelt wegen Überfüllung gesperrt, dabei war es drin gemütlich. Leider bemerkte keiner den kaputten Gitarrenverstärker, was schade um das heftige Gearbeite war.

Die Techniker sind in Roskilde Perfektionisten. Alles beginnt pünktlich, endet aber oft auch nach exakt einer Stunde mit einem Ansager-Clown, der Musikern und Fans "tuuse tak" (tausend Dank) sagt. Unter den Jobs, die die über 20.000 Volunteers verrichten, wäre die Autobahnbrückenbewachung für mich der größte Horror. Es gibt aber auch Edelhelfer, die sechs Stunden täglich nur Musikerklos putzen und so die 240 Euro Eintritt für die 180 Bands sparen.

Früher gab sich Roskilde gern explizit politisch, jetzt soll man das "Orange Feeling" kriegen. Wie günstig, dass die Traditions-Farbe inzwischen von der Ukraine bis zur CDU für Widerstand steht. So sollte jeder sich was Oranges anziehen beim traditionellen Wettlauf zur Öffnung der Tore. Fast beliebig diesmal das Motto der Kampagne. Die Überschüsse des Non-Profit-Festivals erhält "Human to Human. FairPhone - fair Future". Eine Kampagne für faire Arbeitsbedingungen im Kongo. Viel geholfen wäre schon, wenn die Wikingerkids mal ein bisschen weniger smsen würden.

Oder bei Neil Young leiser telefonieren, damit man ihn auch noch bei Akustikset hören könnte. Young, der Hippie mit dem Hybridantrieb, ließ gut aufgelegt zu jedem Song ein Gemälde aufstellen, am Ende in bester Gitarrenzerhacklaune, und er adelte das Festival: "Youre the best festival in the world."

Gefährlich für Selbstbildkontrolleure sind die neuen, hochauflösenden Videoleinwände. Als Rob Halford von Judas Priest mit großer Handbewegung die Leute vom Plörrebierstand zu sich rüberwinkte, sah er in seinem Lederfransenkostüm aus wie ein Reeperbahnbouncer, der versucht seinen Puff zu füllen. Bei seinem Kollegen von Slayer - deren Metal leider wenig furchterregend war - sah man als Video-Super-GAU deutlich SS-Runen und passende Totenköpfe auf dem Gitarrenhals. Viel Spaß bei Deutschlandkonzerten, Slayer! Irgendwie ungesund das Gesicht von Nick Cave, der mit Grinderman zu wenig krachte und nur überzeugte, als er jammernd seinen "No Pussy Blues" vortrug. Den hätte er mal Lady Saw vorsingen sollen, die ihr "vaginatoy" postfemininistisch nur superreichen Typen teilvermieten will.

Neben Emoschrott wie Radiohead, Goldfrapp, Duffy gabs den Soulsearcher Solomon Burke mit seinem roten Königsthron mit Stirnwischservice der Sängerin und die coolen alten Norweger-Säcke von Motorpsycho, die mich um vier Uhr früh wach schrubbten. Insgesamt war Roskilde dieses Jahr aber zu lasch. Nächstes Jahr fahren wir mal nach Budapest zum Sziget, da sollen 400.000 Irre sein.

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10 Kommentare

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  • PE
    Peter e

    Schon gut, auch das Roskilde-Festival befindet sich im Wandel. Kann man durchaus darüber nachdenken und zu dem Ergebnis kommen, dass das ganze nicht mehr die Veranstaltung ist, die man wollte. Ist ja auch einiges passiert so die letzten 8 Jahre.

    Nachdenken heisst aber immer noch differenzierende abwägen. Simple Gleichsetzungen (wie Romakinder/Dänenkinder oder Bierflasche ist hui, Bierdose ist pfui) ohne weitere Recherche Dosenrecycling und Pfandsystem!) oder einfach nur die aufgeworfenen Frage jemand zu stellen (Warum schickt das Festival den Romakindern einen Sozialarbeiter) ist - wenn man schon selbt nicht nachdenken will, ein journalistisches Armutszeugnis. Dass auch die musikalische Einordnung Duffy und Goldfrapp als Emobands nicht gerade differenziertes (popmusikalisches) Verständnis zeigt, rundet das Bild nur ab.

    Liebe taz, Ihr habt im Blog so einen netten und erfreuten Kollegen über Roskilde berichten lassen. Bitte im nächsten Jahr nicht mehr den schlechte-Laune-Journalismus von Hr. Becker. Das ist auch keine legitime Hunter-Thompson-Nachfolge. Das ist auch kien Pamphlet. Das ist nur Gemaule und macht schlechte Laune.

  • KB
    Klaus Buddeberg

    Der Beitrag war natürlich keinesfalls überflüssig, vor allem der letzte Teil der Überschrift war die Abogebühr wieder einmal wert. Schade nur, dass hier im Netz nicht dass tolle Steckdosenfoto des Meisters zu sehen ist.

  • A
    atze

    also als roskilde fan der dieses jahr leider aussetzen musste muss ich mal anmerken das dieser artikel zwar von einem live teilnehmer an diesem event stammt,aber die musik so runter zu machen ist schon blöd,sicher geschmäcker sind verschieden,aber riskilde ist eben was besonderes,und jaaaa ich kann das sziget nur empfehlen,ist auch was ganz besonderes.

  • E
    Edo

    Ich finde zwar, dass Leserbriefschreiber alle gestörte Psychopathen sind, aber dieses Mal muss es sein.

     

    Der Beitrag wäre selbst in irgend einem Blog absolut unterirdisch, in der taz aber völlig indiskutabel. Keinerlei Informationswert, Autor war wohl beim Schreiben noch frustriert, weil es vor Ort für ihn keine Dänin im Bikini gab...

  • D
    Dirk

    Das allerletzte! Da bekommt einer, der von Nicht eine Ahnung hat ein 240-EUR-Ticket geschenkt und macht ein Festival schlecht, das nun wirklich alles daran setzt, so etwas wie 2000 nicht wieder geschehen zu lassen. In Budapest ist Herr Becker sicher besser aufgehoben. Und die TAZ sollte mal darüber nachdenken, ihr Budget sinnvoller anzulegen. Das war der letzte Beitrag, dem ich diesem Blatt entnommen habe.

  • J
    JoE

    Die bechersammelnden Blondlingskinder von damals gibt es auch heute noch und im Gegensatz zu den Romakindern müssen diese ihre verdienten Kronas wohl nicht bei Papi abgeben und dürfen auch mal Pause machen.

    Damit dass das Publikum ne verkürzte Aufmerksamkeitspanne hat, muss man halt leben wenn die neue Besucherzielgruppe zu jung ist um mit nem Wählscheibentelefon um zu gehen.

    Und jemandem der Motorpsycho braucht um überhaupt wach zu werden kann ich auch nicht böse sein wenn ihm die Musik nicht gefiel. Bei Cat Power ist neben mir jemand in Ohnmacht gefallen. Ich dachte erst der Kreislauf will nicht mehr aber das war wohl nur ein Taz Reporter der eingeschlafen ist.

    Vergess Sziget, fahr nach Wacken oder zum With Full Force.

  • P
    Paul

    Der Text hier ist aber Befindlichkeitsch*** ohne Argumentationen. Behauptungsjournalismus. Ein Beschreibung dessen, was in Roskilde war, erfahren wir leider nicht.

     

    Muss ein Anfänger sein.

  • C
    christian

    auf sowas kann die taz wahrlich verzichten

  • N
    Nordlicht

    Spätestens als der Beitrag mit "Emoschrott wie ...Goldfrapp..." endete, muss auch dem letzten Leser klar geworden sein, dass der Schreiber des Artikels sicher kein Musikfachmann war, sondern nur jemand, dem in Roskilde irgendeine Laus (zuviel Dosenbier?) über die Leber geluafen war, die er sich nun aus dem Pelz schreiben wollte.

    Ein wahrhaft unqualifizierter und damit mehr als überflüssiger Beitrag!

  • K
    Katherina

    Nicht zu glauben, wen die taz wie so alles schreiben laesst. Ein paar Grundlagen der (nicht mal) gehobeneren Ausdrucksweise stuenden jedem "Journalisten" gut zu Gesicht...