: Rocker im Schlagersängerpelz
■ Knust-Schlager-Show: Bernd Begemann machte Tilman Rossmy fertig und fütterte seinen Seltsamkeitsbonus
„Wir passen zusammen“, duettierten Bernd Begemann und Tilman Rossmy in einer langen Schlagernacht am Freitag im ordentlich gefüllten Knust. Dieser Songtitel bewahrheitete sich vor allem deshalb, weil gerade die Verschiedenheit der beiden Barden spaßige Spannung erzeugte: Im Gegensatz zum eher nüchtern-konventionellen Liebesliedinterpreten Rossmy erschien Begemann als Rocker im Schlagersängerpelz.
Zigarillobewaffnet und rasselschwingend wand letzterer sich in albernen Verrenkungen zu den Liebesballaden Rossmys, die den ersten Teil des Konzerts ausmachten. Nur mit Zweitgesang und Gitarre beschäftigt, nutzte Begemann die Abhampelfreiheit gnadenlos aus, entließ Mimik und Gestik in absurde Gefilde, brachte fetzige Luftsprünge und war dem abgeklärten Rossmy das Gegenstück eines besessenen Schlagerderwisches.
Komisch wurde das vor allem bei den Ansagen. Denn Rossmy, der angesichts des unberechenbaren Improvisationstalents Begemanns nahezu gehemmt wirkte, versuchte, meist erfolgloserweise, Stimmungsmache auf herkömmliche, wenig ambitionierte Art zu betreiben. Wirkliche Launigkeit erzeugten erst Begemanns auf den Fuß folgende Kommentare zur gequälten Show. So zum Beispiel seine Ergänzung zu Rossmys nicht gerade extrem origineller Bezeichnung des Knusts als „Heimat des Songs“: „...und das Waisenhaus des Erfolgs“.
Oft sah Begemann sich auch gezwungen, Strenge walten zu lassen. So rief er verzweifelt ob der schlimmen Animation des hölzernen Kollegen aus: „Warum, Gott, warum?!“ oder denunzierte dessen Show als „Billy-Bragg-Konzert aus der Parallelwelt.“ Ein kerniges, in den Saal geschmettertes „Wie geht's euch?“ mit darauffolgendem Publikumsgejohle diente als öffentliche Nachhilfelektion in Sachen Entertainment: „So geht das!“
„Ich muß noch viel lernen“, gab sich Schüler Rossmy einsichtig.
In punkto Schlagerträllern aber ist die Lehre bereits abgeschlossen. Unterstützt von der Super-Musik-Band – generationsübergreifend mit jungem Spund am Baß und starr-greiser Altrockermumie an der Leadgitarre –, ließ Rossmy seine melancholischen Schnulzen gekonnt zwischen ernsthafter Emotionalität und potentieller Peinlichkeit gratwandern.
Dennoch war dieser erste Showteil mindestens zur Hälfte der des Mannes aus Rothenburgsort, der die Bühne anschließend solo übernahm.
Das bedeutete wieder scherzige Ansagen mit Seitenhieben in Richtung Rossmy („Im September gibt's ein Solo-Konzert, aber jetzt hab' ich ja diesen Klotz am Bein“), alberne Grimassenschneiderei und leidenschaftliches Gezucke. Dazu den original Begemann-Stöhngesang und charmant-gequälten Hundeblick, souveräne Publikumseinpeitsche und sogar Brustpelzent-blößung mit Plauzenfreilegung.
Daß der erste deutsche Küchentalkshowmoderator sich bei der ganzen Rumalberei dennoch recht ernst zu nehmen schien, etwa bei der ironielosen Präsentation einiger oberdudeliger Schmalzstücke, verleiht ihm nur einen weiteren Seltsamkeitsbonus.
Fazit: „Wir sind zweimal zweite Wahl“? Nicht für Freunde pathetisch-poetischen Schlagerbeats und spießig-spaßigen Entertainments.
Christian Schuldt
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