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Robinson rettet uns

■ Mutterseelenallein – aber ganz viel Zivilisation. Das Waldautheater macht aus „Robinson Crusoe“ ein Weihnachtsmärchen für Kinder

Protest! Robinson Crusoe war weder der Retter seines Vaterlandes, noch lag er auf einem Sträflingsschiff in Ketten. Und sprechende Ziegen traf er auf seiner einsamen Insel erst recht nicht an. Die Erwachsenen, die als Dreikäsehoch mit Robinson die Leiden eines unfreiwilligen Südsee-Exils geteilt und bei Freitags Befreiung mitgezittert hatten, mussten bei der Premiere der Kinderfassung von „Robinson Crusoe“ einige Abweichungen vom Original verkraften. Sie trugen es mit Fassung.

Denn dass die inneren Monologe des Schiffbrüchigen kaum eine kindgerechte Aufführung erlauben, leuchtete auch denen ein, die den Roman von Daniel Defoe wieder und wieder mit glänzenden Augen verschlungen hatten.

Deshalb gibt es auf der Bühne ein paar zusätzliche Akteure und mehr action als im Original. Nachdem sich die Erwachsenen daran gewöhnt hatten, dass es in der eigens für die Aufführung am Waldautheater erstellten Bearbeitung etwas anders zugeht als in dem Leseabenteuer ihrer Kindheit, konnten auch sie sich für einen Freitag erwärmen, der als edler Wilder die Zivilisierungsversuche von Robinson unterläuft: Nackt rumlaufen ist Sünde, was sollen da die Leute denken? – Welche Leute? Die Kids hat der anarchistische Freitag sowieso auf seiner Seite, als er behauptet: Freitag sieht schön aus, Robinson wie ein gerupfter Vogel!

Als unappetitlicher Zottelbär für die feine englische Art und die Vorzüge der europäischen Kultur zu werben, ist wirklich nicht leicht. Und warum muss man unter der tropischen Sonne seine Blöße mit dicken Fellstücken bedecken? Augenzwinkernd klärt der Ex-Menschenfresser den pastoralen Robinson darüber auf, dass die europäische Etikette auf einer einsamen Insel nichts zu suchen hat: Finger food ist auch zivilisiert.

Doch bevor das Inselabenteuer beginnt, wird Robinson in der „kindgerechten“ Version in die Intrigen am englischen Hof verwickelt. Der bauerntrampelige König lässt sich von einem fiesen Hof-Luder ausnehmen und ruiniert sein Reich. Noch ehe der heldenhafte königliche Hofschreiber Robinson eingreifen kann, wird er auf eine Sträflingsinsel verbannt. Nach viel Klamauk auf dem Gefangenenschiff strandet der Verbannte endlich auf seiner Insel.

Auch hier bleibt es klammottig: Als Erstes brennt sich der moralische Drogenfeind einen mit einer Buddel Rum und macht mit einem Fass Schwarzpulver und entsprechend viel Getöse ein Feuer. Dass dazu ein Elektrokamin herhalten muss und die Wohnhöhle auch schon da ist, stört das junge Publikum nicht. Noch mehr schiefe Details werden verlangt: „Fehlt nur noch –n Fenster in der Höhle, ey.“

Für viel Frust auf der Insel bleibt keine Zeit, denn da kommen schon die Meuterer, auf dessen Schiff Robinson, Freitag und die sprechende Ziege mit Namen Rosa nach London segeln können. Robinson muss ja noch fix das Vaterland retten.

Peter Ringel

„Robinson Crusoe“ ist ab heute fmit ast täglich vier Vorstellungen am Waldautheater. Kartentelefon: 386 17 55

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