Roadmovie-DVD: Sitzen, stehen, warten, fahren
In zwei DVD-Editionen wird Monte Hellmans Roadmovie "Two-Lane Blacktop" nochmals aufgelegt - einen Film, der im Unterwegssein völlig aufgeht.
Überm Universal-Logo Motorenlärm. Im Anfang war das Geräusch, nicht das Wort, nicht die Musik. Ein Autorennen auf verlassener Landstraße im Dunkeln. Irgendwo in Amerika. Aus dem Lärm, der Nacht, dem Irgendwo treten, wie widerwillig nur, ein Plot, eine Handvoll Figuren und die eigentlichen Protagonisten, der 1955er Chevy und der Pontiac GTO. Die beiden Autos bekommen ihren Credit im Abspann, am Ende, wenn die Namen der Darsteller durch sind.
Neben dem großen Warren Oates, der aus dem Kino der Sechziger- und Siebzigerjahre und den Filmen Sam Peckinpahs insbesondere nicht wegzudenken ist, hat Regisseur Monte Hellman vor allem No-Names ihren ersten Einsatz vor der Kamera verschafft. Wobei das mit den No-Names auf James Taylor, den Musiker, der gerade am Anfang seiner Karriere stand, und Dennis Wilson, den Drummer der Beach Boys, nur in puncto Schauspielbekanntheit zutrifft. Die beiden spielen den Fahrer und den Mechaniker, ein Team, das mit dem unlackierten, grauen Chevy bei Dragster-Rennen antritt. Vergangenheitslose, zukunftsvergessene No-Names auch die Figuren im Film, der "Fahrer", der "Mechaniker", das "Mädchen" (Laurie Bird); der im Namen mit seinem Auto verschmolzene "GTO" (Warren Oates) nimmt zwar immerzu Beifahrer mit, all die Geschichten jedoch, die er ihnen erzählt, von seiner Vergangenheit, seinen Träumen, fügen sich in ihrer Widersprüchlichkeit zu keiner zusammenhängenden Biografie.
Der Zufall, scheinbar absichtslos inszeniert wie alles im Film, will es, dass das Team aus Fahrer und Mechaniker und der GTO einander irgendwo im Westen der USA begegnen. Sie schließen eine Wette ab. Wer zuerst in der Hauptstadt ist, bekommt den Wagen des Verlierers als Gewinn. Der Thrill, den "Two-Lane Blacktop" für diesen Moment erzeugt, läuft in der Folge konsequent ins Leere. Der Film zerfällt in Szenen, Sequenzen, in nicht weiter reduzierbare Minimalelemente: namenlose Menschen in amerikanischer Kleinstadt-Landschaft, auf Straßen, in Diners, am Wegesrand. Bloße Dehnung (Sitzen, Stehen, Warten) und Schrumpfung (Fahren, Rennen) der Zeit. Der Raum zieht vorüber, Blicke durchs Autofenster, eine Bindung, eine Haftung der Figuren an diesen Raum, etwas wie eine Geschichte oder auch etwas wie zwischenmenschliche Beziehungen stellen sich nicht ein. Einmal haben der Fahrer und das Mädchen Sex im Motel. Daraus folgt nichts. Am Ende zieht das Mädchen wortlos von dannen, steigt zu einem Fremden aufs Motorrad, lässt das Reisegepäck zurück.
"Two-Lane Blacktop" ist ein Roadmovie, das ganz im Unterwegssein aufgeht. Was macht ihr, wird einmal gefragt. Wir sind auf der Durchreise, lautet die Antwort. Ein Film über die Durchreise als Dauerzustand, nur selten macht das Drehbuch den Fehler, die Lakonie seiner existenzphilosophischen Grundierung in Worte zu fassen, eines Beifahrers etwa, dem egal ist, wohin GTO fährt. "Was soll das Ganze", fragt er, "noch 30, 40 Jahre, dann ist es vorbei." Im Grunde aber wird in diesem Film die Straße zum Schauplatz von fast gar nichts. Monte Hellman hatte nicht lange vor diesem Film im Theater Samuel Becketts "Warten auf Godot" inszeniert, und ein wenig ist "Two-Lane Blacktop" die Americana-Version von Becketts Stück: Wladimir und Estragon in ihren Straßenschlitten.
Lange Jahre war der Film, der vom im Vorfeld heftig gehypten Kult zum bösen Kassenflop und dann zum Mythos wurde, nicht beziehungsweise nur in einer streng limitierten Version auf Video und DVD zugänglich. Die Rechte zur Musik, die einzig aus dem Autoradio und vom Kassettenspieler kommt, waren zu teuer. Jetzt aber ist er in mehreren Fassungen greifbar. In Europa in einer schlichten Version mit Kommentar von Monte Hellman und dem Produzenten Gary Kurtz. Für alle, die einen Code-1-Player haben, ist die Criterion-Fassung ein Muss: Auf 2 DVDs finden sich zusätzliche Kommentare vieler Beteiligter, das Original-Drehbuch, nicht in den Film aufgenommene Szenen und manches mehr.
Beide Versionen sind als Import für rund 27 Euro erhältlich, die Fassung für die europäischen DVD-Player zum Beispiel bei www.amazon.de, die Criterion-Edition bei www.cd-wow.net
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