piwik no script img

Risse in der serbischen KircheMönche im Kosovo prügeln sich

Erzbischof Artemije will Bischof und dessen Vize ablösen. Beide wollen bei der Instandsetzung serbischer Klöster mit den albanischen Behörden in Prishtina kooperieren.

Amfilohije, der Metropolit von Montenegro, hat die Amtsführung der serbisch-orthodoxen Kirche an sich gerissen. Bild: ap

BELGRAD taz Vor den Augen der Ikone des Christus Pantokrator und italienischer Unmik-Soldaten verprügelten am Freitag Mönche des Klosters Decani im Kosovo den Boten ihres Erzbischofs Artemije. Die christliche Liebe schlug in Empörung um, als Artemije den Prior von Decani Teodosije, der den Rang eines Bischofs hat, und seinen Vize, Sava Janjic, ablösen wollte. Der Hardliner Artemije beschuldigte die beiden moderaten Mönche des Ungehorsams und Aufruhrs.

Das Unvorstellbare geschah in den mittelalterlichen Mauern, die ein Symbol der orthodoxen Serben sind. Artemije fuhr persönlich in seinem Jeep nach Decani, um Teodosije und Sava die Urkunde über ihre Ablösung zu überreichen. Diese lehnten ab. Währenddessen stürzten sich wütende Mönche auf Priester Simeon, der Artemije begleitete. Die strenge Hierarchie und die Regeln der Kirche wurden außer Kraft gesetzt und die serbische orthodoxe Kirche schwer erschüttert. Der Erzbischof hat laut Kirchenverfassung zwar das Sagen in seiner Diözese, doch der Versuch des allgemein unbeliebten Artemije, seine Untergebenen wegen Befehlsverweigerung zu entmachten, stieß in der heiligen Synode in Belgrad auf Kritik.

Den Streit lösten verschiedene Auffassungen darüber aus, wie Dutzende serbischer Kirchen und Klöster, die von albanischen Extremisten 2004 zerstört worden waren, wiederaufgebaut werden können. Teodosije ist in dieser Frage für eine Zusammenarbeit mit den albanische Behörden im Kosovo, die vor einem halben Jahr die Unabhängigkeit ausgerufen haben, Artemije dagegen. Er hatte im vergangenen Jahr in einer Erklärung gegenüber serbischen Medien sogar den Präsidenten, Verteidigungs- und Außenminister Serbiens als "Verräter" bezeichnet und ein Eingreifen der serbischen Streitkräfte im Kosovo gefordert.

Der Fall "prügelnde Mönche" unterstreicht erneut die Krise in der serbischen orthodoxen Kirche. Das Oberhaupt der Kirche, Patriarch Pavle, (95), liegt seit neun Monaten im Krankenhaus. Die Amtsführung hat der Metropolit von Montenegro, Amfilohije, übernommen - manche behaupten: an sich gerissen. Die serbische orthodoxe Kirche dürfe nicht lange ohne ein aktives Oberhaupt bleiben, weil wichtige Entscheidungen ohne den Patriarchen nicht getroffen werden könnten, sagt der Religionssoziologe Mirko Djordjevic.

Pavle wurde zum Patriarchen gewählt, als sein Vorgänger, German, noch lebte und ebenfalls im Krankenhaus lag. Damals erklärte ihn ein ärztliches Konsilium für amtsunfähig. Insofern liegt heute die Entscheidung, ob ein neuer Patriarch wählbar ist, bei einigen Sanitätsoffizieren.

Bereits vor einem Jahrzehnt fiel der eigenwillige Artemije auf, als er sich auf eine Diskussion mit dem Patriarchen einließ. Pavle sagte in einer Predigt, alle Menschen seien "Kinder Gottes". Artemije erwiderte, "seine Heiligkeit irre", alle Menschen seien nicht "Kinder", sondern nur "Geschöpfe Gottes". Kinder Gottes seien nur orthodoxe Christen.

Am heutigen Dienstag sind Artemije und Teodosije vor die "heilige Synode" der Serbischen Orthodoxen Kirche geladen, die die "Ereignisse" im Kloster Decani als "unerfreulich" und die Entscheidung von Artemije als "unbedacht" am vergangenen Samstag bezeichnet hatte. Die "heilige Synode" ist die Kirchenregierung, die aus dem Patriarchen und vier für jeweils vier Jahre gewählten Bischöfen besteht. Ob sie überhaupt in Abwesenheit des Patriarchen Entscheidungen treffen kann, ist umstritten.

Durch die Krankheit des Patriarchen ist die Spaltung in der serbischen Kirche schon länger offen zu Tage getreten. Es geht um die Modernisierung der Liturgie, die Gläubigen im Ausland, ökumenische Fragen, Kosovo und die Stellung der Kirche, die Staatskirche sein möchte, im Staat. Nicht zuletzt geht es auch um den nächsten Patriarchen.

Wer es sein wird, hängt, so wird behauptet, unmittelbar vom Heiligen Geist ab. Die Versammlung aller Bischöfe wählt aus den eigenen Reihen drei Kandidaten, Zettel mit ihren Namen werden in einen Bischofshut gesteckt und der älteste Abt zieht nach einem Gebet den Zettel mit dem Namen des nächsten Oberhauptes der Kirche aus dem Hut.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

0 Kommentare

  • Noch keine Kommentare vorhanden.
    Starten Sie jetzt eine spannende Diskussion!