Risiken von Crispr/Cas: Bund fördert unabhängige Studien
Erstmals bekommt das Umweltministerium laut SPD Geld, um unabhängig von der Wirtschaft die Folgen neuer Gentechnikmethoden erforschen zu lassen.
„Diese 350.000 Euro sollen ermöglichen, das erste Mal wirklich unabhängig diese Technologie im Hinblick auf die Auswirkungen etwa auf Natur und Ökologie zu untersuchen“, sagte SPD-Fraktionsvize Matthias Miersch der taz. Auf sein Betreiben ist die Haushaltsstelle eingerichtet worden. Bisher hätten viele Forscher „Angst vor Repressalien, weil sie von Drittmitteln abhängig sind“. Solche Finanzierungen stammen oft von Firmen oder Organisationen, die von neuen Gentechnikmethoden profitieren.
Das bekannteste neue Gentechnik-Verfahren ist Crispr/Cas. Mit ihm lässt sich Erbgut genauer verändern als bisher. BefürworterInnen halten das für nötig, um Pflanzen schneller an den Klimawandel anzupassen. Außerdem könne man so Resistenzen gegen Schädlinge erreichen und den Pestizideinsatz reduzieren.
GegnerInnen argumentieren, dass die Technik vor allem genutzt werde, um Pflanzen gegen Pestizide immun zu machen und um eine umweltschädliche Landwirtschaft etwa mit Monokulturen zu erleichtern. Zudem befürchten sie unbeabsichtigte Veränderungen des Erbguts, die die Sicherheit beeinträchtigen könnten.
Natürliche und unnatürliche Mutationen
„Die Herausforderungen, die neuartige gentechnisch veränderte Organismen für die Risikobewertung, das Monitoring, die Gesellschaft und ihre rechtliche Einordnung darstellen, müssen erfasst und Methoden für die Risikobewertung und das Monitoring entwickelt werden“, erklärte die Arbeitsgemeinschaft Haushalt der Fraktionen CDU/CSU und SPD zur Begründung des neuen Forschungsbudgets. 250.000 Euro davon soll das Bundesumweltministerium bereits 2021 ausgeben.
Befürworter der neuen Techniken argumentieren, diese würden nur Mutationen auslösen, die auch die Natur hervorbringen könnte. Deshalb seien keine besonderen Risiken zu erwarten. Zu diesem Einwand sagte Miersch: „Wenn das so natürlich wäre, dann könnte man sich zum Beispiel kein Patentrecht auf diese Pflanzen sichern, weil das ja letztlich etwas ist, was die Natur längst hervorgebracht hat.“ Eine natürlich auftretende Mutation sei das eine. „Wenn ich aber diesen Prozess stimuliere von außen, dann ist für mich die Frage, was diese Stimulation in der freien Wildbahn auslösen kann.“
Miersch zufolge ist die Agrogentechnik-Lobby derzeit sehr aktiv, um die Entscheidung des Europäischen Gerichtshof zu den neuen Methoden „zu konterkarieren“. Die Richter urteilten 2018, dass die Behörden Pflanzen, die etwa mit Crispr/Cas geschaffen worden sind, wie Organismen der alten Gentechnik auf Risiken prüfen müssten. Zudem gelte auch für Lebensmittel aus den neuen Pflanzen die Pflicht zur Kennzeichnung als „gentechnisch verändert“. „Das wird aber von seiten der CDU/CSU nicht akzeptiert“, sagte Miersch. Bei den Grünen, die Agrogentechnik bislang kategorisch ablehnten, „gibt es Aufweichungstendenzen, die mit Formelkompromissen beim letzten Parteitag zugedeckt worden sind“.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Internationaler Strafgerichtshof
Ein Haftbefehl und seine Folgen
Krieg in der Ukraine
Geschenk mit Eskalation
Umgang mit der AfD
Sollen wir AfD-Stimmen im Blatt wiedergeben?
Krieg in der Ukraine
Kein Frieden mit Putin
Nan Goldin in Neuer Nationalgalerie
Claudia Roth entsetzt über Proteste
Warnung vor „bestimmten Quartieren“
Eine alarmistische Debatte in Berlin