Risiken bei cholesterinsenkender Nahrung: Zweifel über das gesunde Image

Lebensmittel dürfen auch mit gesundheitsfördernden Eigenschaften beworben werden. Einige dieser Produkte haben jedoch auch gravierende Nebenwirkungen.

Health Claim auf einem Becel-Produkt. Bild: Screenshot: becel.de

BERLIN taz | Wer sich heute an seinem zu hohen Cholesterinspiegel stört, der kann einfach in den Supermarkt gehen und entsprechende Produkte kaufen. Produkte, die das Herz schützen sollen, weil sie das gefährliche LDL-Cholesterin senken können. Am häufigsten greifen Verbraucher zu pro.aktiv Margarine aus dem Hause Unilever.

Und auch von Danone (Danacol) und Emmi (Benecol) gibt es Trinkjoghurt angereichert mit sogenannten Pflanzensterinen. Diese dürfen sich mit Health Claims, Gesundheitsaussagen, schmücken - schließlich hat die Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit (Efsa) diese Produkte für wirksam befunden.

Doch die Pflanzenstoffe sind in die Kritik geraten. Nicht nur Verbraucherschützer wie Foodwatch fordern, dass cholesterinsenkende Lebensmittel eigentlich in der Apotheke verkauft werden müssten, weil viele der Konsumenten gar kein krankhaft erhöhtes Cholesterin aufweisen. Zudem zeigte kürzlich eine belgische Studie, dass sogar jedes fünfte flämische Kind im Vorschulalter diese Produkte vorgesetzt bekommt.

"Die Produkte haben einfach ein gesundes Image", so Birgit Niemann, Wissenschaftlerin am Bundesinstitut für Risikoforschung (BfR). Auch Herzärzte sind kritisch. Schließlich sind Phytosterine hochwirksame Stoffe, die unter Umständen gefährlich werden könnten. "Nur weil die Stoffe natürlich sind, heißt es nicht, dass sie automatisch gesund und ungefährlich sind", erklärt Oliver Weingärtner von der Universität Saarland.

Während Ernährungswissenschaftler und Kardiologen über Nutzen und Risiken der Phytosterine streiten, schwelt im Hintergrund eine andere Diskussion: Wie gefährlich sind hohe Cholesterinspiegel tatsächlich?

Bei der Deutschen Gesellschaft für Kardiologie plädiert man etwa für die Behandlung eines hohen Cholesterinspiegels mit Statinen. Die hätten sich dabei bewährt, das Risiko für Herzkrankheiten zu senken. Sie drosseln in einer üblichen Dosis das LDL (Low Density Lipoprotein) im Blut um rund 30 Prozent. Allerdings ist dieser Nutzen für den Behandelten sehr gering, wenn lediglich sein Cholesterinspiegel erhöht ist.

Auf der anderen Seite haben diese Medikamente auch Nebenwirkungen. Experten etwa vom Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWIG) empfehlen daher einen Einsatz von Statinen nur zur Sekundärprävention, also wenn bereits eine Herzkrankheit vorliegt. Schließlich hat die Hälfte der Herzinfarkttoten gar keinen erhöhten Cholesterinspiegel gehabt. (kabu)

Geschickt ins Lebensmittel eingebracht

Bereits im Jahr 1953 fand der US-Kardiologe O. J. Pollak heraus, dass Pflanzensterine, wie sie hauptsächlich in Soja, Nüssen, Samen und nativen Ölen vorkommen, den Cholesterinspiegel zu senken vermögen. Damals hantierte man jedoch mit großen Mengen, weit mehr als die heute üblichen 2 bis 2,5 Gramm.

Diese Dosis senkt bewiesenermaßen das gefäßschädigende LDL-Cholesterin und auch das Gesamtcholesterin, je nach genetischer Ausstattung des Konsumenten um 5 bis 15 Prozent. Und damals hatte man auch noch nicht die Möglichkeit, die Stoffe so geschickt, wie heutige Fooddesigner das tun, in Lebensmittel einzubringen. Die Patienten erhielten Medikamente unter der Aufsicht von Ärzten.

Wissenschaftler monieren zwei Dinge: Einmal fehle es an Studien, die tatsächlich belegen, dass Phytosterin-angereicherte Produkte das Herzinfarktrisiko und damit auch die Gesamtmortalität reduzieren. "Solche Studien braucht man aber, wir wollen ja nicht nur Laborparameter behandeln", so Weingärtner. Der zweite Punkt, der Unbehagen bereitet: In letzter Zeit mehrten sich Studien, die auf mögliche Risiken hinweisen.

So hat Weingärtner herausgefunden, dass Mäuse auf Phytosterin-Diät vermehrt Ablagerungen in den Gefäßen hatten. Auch einige epidemiologische Studien weisen darauf hin, dass das Risiko für Herzkrankheiten mit Pro-aktiv-Produkten sogar ansteigen könnte. Allerdings gab es auch Studien, mit dem gegenteiligen Ergebnis.

Ein Normalesser schafft 300 Milligramm

Die Befürworter der Pflanzensterine wie David Jenkins von der Toronto University sehen die Substanzen als Herzschutz, weil Vegetarier auf ein Gramm pro Tag kommen könnten, und diese hätten ein verringertes Risiko, an einer Herzkrankheit zu leiden. Die Stoffe finden sich - allerdings in weitaus niedrigeren Mengen - auch in Obst, Gemüse und Getreide. Ein Normalesser schafft es gerade mal auf rund 300 Milligramm.

Warum die Sterine negative Wirkungen haben könnten, ist unklar. Einen Hinweis bietet jedoch die extrem seltene Krankheit Sitosterolämie. Durch genetische Veränderungen haben die Betroffenen einen bis zu 20-fach erhöhten Phytosterolspiegel im Blut. Sie sterben auffallend häufig an Herzkrankheiten, und das, ohne dass andere Fettstoffwechselstörungen vorliegen.

Wer Phytosterin-angereicherte Lebensmittel täglich konsumiert, hat einen zwei- bis dreifach erhöhten Phytosterolspiegel, weil die Pflanzenstoffe das Cholesterin im Darm aus seinem Transportvehikel verdrängen und es so einfach ausgeschieden wird. Das drückt den Cholesterinspiegel. Die im Körper verbleibenden Phytosterine könnten jedoch leicht mit Sauerstoff reagieren. Über diese Oxidationsprodukte weiß man bisher wenig. Möglicherweise schädigen sie die Gefäße.

Im Tierversuch hat man auch gesehen, dass Phytosterine die Blut-Hirn-Schranke passieren können und sich im Gehirn in die Lipidbasis der Zellmebranen anlagern. Was das für Folgen hat, ist ebenso unklar. Eine niederländische Studie von Olga Schiepers an der Maastricht University gibt derweil Entwarnung. Patienten mit erhöhten Cholesterinwerten hatten 85 Wochen Pro-aktiv-Margarine gegessen, während die Kontrollgruppe normale Margarine aufs Brot bekam. Das Ergebnis: Bei den kognitiven Funktionen wie Gedächtnis, Gehirnleistung oder Stimmung gab es keine Unterschiede.

Nicht gesundheitsförderlich

Möglicherweise sind die Pflanzenstoffe jedoch auch nur für bestimmte Personen gefährlich. Zu diesem Schluss kommt Daniel Teupser, Genetiker an der Universität Leipzig. In einer 2010 erschienenen Studie hat er nachgewiesen, dass Menschen mit der Blutgruppe 0 Phytosterole sehr gut über Leber und Galle ausscheiden und sie deshalb auch weniger an Herzkrankheiten leiden.

Während bei Menschen mit Blutgruppe A, B und AB dieser Entgiftungsmechanismus nicht so gut funktioniert. Bei ihnen reichern sich die Phytosterole in den Blutbahnen an. "Somit haben sie ein höheres Risiko für Herzinfarkt", glaubt Teupser. Er hält die Phytosterin-angereicherten Lebensmittel daher nicht für gesundheitsförderlich.

Aufgrund der Fülle an neuen Studien sieht das BfR Handlungsbedarf. Derzeit versucht man über das Verbraucherministerium die EU-Kommission zu überzeugen, dass die Efsa die Sache nochmals aufrollt.

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