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Ringe gegen Gliedmaßenwirbel

■ Tung Wai aus Hongkong spart in „The Hitman“ nicht mit Ironie und Komik und legt vor allem auf die Psychologie seiner Figuren viel Wert

Tung Wais „The Hitman“ ist ein Film aus Hongkong, der sein Augenmerk weniger auf spektakuläre Action-Szenen als auf die Emotionen der Figuren und deren Verhältnis zueinander legt. Der Film fängt zwar recht furios an: Ein alter japanischer Gangster wird getötet, auf dessen Mörder werden 100 Millionen Hongkong- Dollar ausgesetzt, und die unteren Chargen der Halb- und Unterwelt geraten in heftigen Aufruhr. Doch anstatt nun alle aufeinander losgehen zu lassen, kümmert sich Wai um die Psychologie seiner Figuren.

Da spielt Eric Tsang einen kleinen Gangster, dessen Gerissenheit immer wieder mit seinem guten Herzen kollidiert. Und Jet Li gibt einen jener naiven Festlandchinesen, die man in Hongkong so gar nicht mag: verfressen, geizig, leicht angeschmuddelt.

Außerdem mischen mit: eine anständige Tochter (Gigi Leung), vom Festlandchinesen sofort ins Auge gefaßt, die Polizei (in Gestalt von Simon Yam) sowie weiteres zwielichtiges Personal, das im Verlauf erst mal den aus Hongkong- Filmen beliebten dynamischen Handlungsverlauf garantiert.

Doch wildes Chargieren und anrührende Momente, Genre und Psychologie verbinden sich zu einem glücklichen Ganzen, bei dem auch mit Ironie und Komik nicht gespart wird. Eric Tsangs verunglückte Vorführung der klassischen „Sprung-und-Schuß-Zeitlupe“ beispielsweise gehört zu jenen Szenen, mit denen Tung genrebedingte Phantasien in den Bereich des Absurden verweist. Auch Kampfkünstler Jet Li begegnet so einigen Widrigkeiten. Vom feigen Bleichgesicht, das sich auf der gegnerischen Seite verdingt, wird er mit blitzenden Ringen traktiert. Metallisches Blendwerk gegen Gliedmaßenwirbel, vermutlich die einzige Chance des armen europäischen Wichts, gegen Li zu bestehen.

Li ist zwar nur bescheiden wendig, trägt aber mit seinem Charme dazu bei, daß die Naivität seines Festlandchinesen meilenweit entfernt ist von den Vertretern der Volksrepublik, die Patrick Yau im gleichfalls im Forum gezeigten „Expect the Unexpected“ als gemeingefährliche Trampeltiere schildert. Japaner wiederum sind in „The Hitman“ Leute, die die Asche ihres Großvaters aufessen: Rassismus am Rande zur Persiflage.

Bleibt natürlich die Frage, was von der Idee eines gottgesandten Killers zu halten ist, der den japanischen Gangster umgebracht hat. Dieser „Angel of Punishment“ tötet nämlich nur Menschen, die den Tod „verdient“ haben, und zwar unentgeltlich, wie beständig betont wird. Doch diese Frage erscheint angesichts dieses schwungvollen und gutgelaunten Films wie eine moralische Kanonenkugel, die sich verirrt hat. Alexandra Seitz

Forum: heute, 15 Uhr, Arsenal

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