: Rinderwahn: Seehofers Solo
Das Bonner Gesundheitsministerium formuliert ein deutsches Importverbot für Rindfleisch aus Großbritannien, Irland und der Schweiz ■ Von Ralf Sotscheck
Berlin (taz) – Vor zwei Wochen hat die EU Exportbeschränkungen für britisches Rindfleisch abgelehnt. Gesundheitsminister Horst Seehofer (CSU) droht jetzt mit einem Alleingang. Seit Donnerstag liegt der „Entwurf einer Verordnung über fleischhygienische Schutzmaßnahmen gegen Bovine Spongiforme Enzephalopathien“ vor. An dieser Krankheit, bekannter als Rinderwahnsinn, sind in Großbritannien bereits mehr als 120.000 Tiere eingegangen. Seehofer möchte, bis Jahresende befristet, die Einfuhr von Rindfleisch aus der „Schweizerischen Eidgenossenschaft, dem Vereingten Königreich und Nordirland und Irland“ verbieten. Ausgenommen soll nur Fleisch sein, das von Tieren stammt, die nicht älter als drei Jahre sind und aus Betrieben kommen, in denen seit vier Jahren kein Fall von BSE aufgetreten ist.
Irlands Regierung protestiert
Die Druckerschwärze war kaum trocken, da war das Papier schon ins Englische übersetzt. Der irische Staatssekretär im Landwirtschaftsministerium, Brian O'Shea, verlangt, Irland von der Verordnung auszunehmen. Auf der Insel sind bisher nur 87 BSE-Fälle bekannt geworden – allesamt bei Tieren, die aus Großbritannien importiert oder mit infizierten Futtermitteln gefüttert worden waren. Im Gegensatz zu Großbritannien werde in Irland stets die gesamte Herde getötet, wenn ein BSE-Fall aufgetreten ist. Seehofers Bedingungen seien daher „völlig überflüssig“. Auch die irischen Oppositionspolitiker befürchten einen weltweiten Rufschaden für die Rinderfarmen der Insel. Seehofer wolle wohl auf ihre Kosten Punkte im deutschen Wahlkampf sammeln.
Tatsächlich geht Seehofers Entwurf noch über die in Deutschland geltenden Hygiene-Gesetze für Fleisch hinaus. Es solle auch verboten sein, „Rinderköpfe einschließlich des Gehirns, Rückenmark, Milz, Thymus, Bauchspeicheldrüse, Nebenniere, Schidldrüse, Magen-Darmkanal einschließlich der dazugehörigen Lymphknoten“ einzuführen, wenn sie von Tieren aus Gebieten stammen, „in denen BSE häufig vorkommt“. Fleischimporte aus anderen EU-Staaten müssen außerdem bei den deutschen Behörden angemeldet werden. Nur so könne verhindert werden, daß Fleisch aus BSE-Ländern auf Umwegen doch noch auf deutschen Mittagstischen lande. Der überwiegende Teil des britischen und irischen Rindfleisches werde nämlich von der EU zu Interventionspreisen aufgekauft.
Britische Regierung behindert BSE-Forschung
Seehofers Beamte stützen sich auf ein internationales Symposium vom vergangenen Dezember. Für die Öffentlichkeit waren noch verbale Beruhigungspillen verteilt worden, doch hinter verschlossenen Türen redeten die Experten Tacheles. Die Übertragbarkeit des BSE-Erregers auf den Menschen könne nicht mit letzter Sicherheit ausgeschlossen werden. „Eine in der Fachwelt unerwartete orale Übertragung des Erregers“ sei „eingetreten“, heißt es jetzt in der Begründung des Entwurfs. Das BSE-Virus „Scarpie“ könne dabei „möglicherweise seine biologischen Eigenschaften verändern“. Ob zwischen der beim Menschen auftretenden Creutzfeldt-Jakob- Krankheit und BSE ein ursächlicher Zusammenhang bestehe, sei bislang nicht geklärt. In Ermangelung eines verläßlichen Verfahrens, den Erreger nachzuweisen, habe der Verbraucherschutz aber Vorrang.
Der britisch-indische Wissenschaftler Harash Narang aus Newcastle behauptet jedoch, den BSE- Erreger im Gewebe von toten Tieren innerhalb einer Stunde nachweisen zu können. US-amerikanische Wissenschaftler haben mit Hilfe von Mäuseversuchen Narangs Testverfahren bestätigt. Nur: Narang wurde unter fadenscheinigen Begründungen vom Staatsdienst suspendiert und kann – unter erschwerten Bedingungen – nur deshalb weiterforschen, weil er von dem britischen Fleischexporteur Ken Bell finanziell unterstützt wird. Bell glaubt, daß die britische Regierung Narangs Arbeit behindere, weil ein einfacher BSE-Test womöglich ans Licht bringen würde, daß weit mehr Tiere als bisher angenommen infiziert sind.
Seehofers Entwurf wurde am Donnerstag von Fachreferenten aus dem Gesundheits-, Landwirtschafts- und Justizministerium beraten und grundsätzlich angenommen. Er soll nun – in redaktionell überarbeiteter Fassung – vom Kabinett abgesegnet und der kommenden Agrarministerkonferenz vom 25. und 26. April in Brüssel vorgestellt werden. Dort ist ihm eine Abfuhr sicher, aber Horst Seehofer will ihn trotzdem in Kraft setzen.
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