piwik no script img

Rilke, hilf!

■ Seelischer Hunger und ein paar andere Notstände: Die Rainbirds geben nicht auf

Fast jeder, der um 1987 jung war, schwärmte für Katharina Franck, die einen Bubikopf trug und eine Gitarre vorm Bauch und „Blue-print“sang, den simplen und herzerweichenden Hit der Rainbirds. Ihre Begleitgruppe bestand aus eher rüden Instrumentalisten der Berliner Punk-Szene – das konnte natürlich nicht gutgehen. Schon das zweite Album war prätentiös, denn Franck drängte es zur Kunst. Der Gymnasiast überspielte sich die Musik vom reichsten Mitschüler, der die Platte im Sonderangebot gekauft hatte. Das Ende der Unschuld.

Weil sie sowieso nicht auf Männer steht, trennte sich Katharina Franck von den anderen und tat sich mit Ulrike Haage zusammen, noch immer als Rainbirds. Seitdem gelang es ihr im Duo (und später dann doch wieder im Trio) auf vier kunstsinnigen und zutiefst verkopften Platten nicht, einen einzigen ordentlichen Song zu schreiben. Nicht nur das heillos überfrachtete Georgel der Keyboarderin Haage verhindert jeden Pop-Verdacht – auch die Franck will Poesie herbeizwingen und Konzeptionelles. Was die beiden machen und sagen, ist immer ganz doll ernst gemeint und sensibel, womöglich persönlich. Deshalb besetzen sie ausschließlich Allgemeinplätze und Kitschaltäre. Die, äh, Kritik trauert den frühen Tagen hinterher, die Damen mauern und schmollen. Aufgeben ist nicht mehr.

Im vergangenen Jahr gipfelten Francks Bemühungen in einer Art von Sprechplatte, die gleich bei der Frankfurter Buchmesse vorgestellt wurde: Natürlich ist die geschwätzige Sammlung Hunger betitelt – der seelische ist gemeint, aber vermutlich auch sonst jeder Notstand der Welt. Syntax und Interpunktion holpern bedenklich, wenn die Dichterin aus Neigung, also Jux & Dollerei, ihre wichtigen Anliegen ausbreitet. „Du fragst/Wie sich meine Musik so hat ändern können/In so kurzer Zeit/Ich habe mein Leben geändert.“

Rilke, hilf! Arne Willander

Sa, 10. Januar, 21 Uhr, Logo

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen