■ Urteil in Sachen Abschiebehaft: Richterliche Lektion
Der richterliche Nachhilfeunterricht für die allzeit emsigen und zudem oft einsichtslosen Abschieber von der Spree war mehr als überfällig: Abschiebehäftlinge haben nach einem Beschluß des Verwaltungsgerichts Berlin grundsätzlich einen Rechtsanspruch auf Grundleistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz. Wer hätte das gedacht? Die zuständigen Behörden auf jeden Fall nicht, dabei hätten sie es wissen müssen. Die einschlägigen Passagen im Gesetzestext waren und sind alles andere als unmißverständlich.
Der Richterspruch macht es amtlich, was längst viele wissen: daß es in den Abschiebeknästen nicht immer mit rechten oder rechtsstaatlichen Dingen zugeht. Geradezu absurd: Während die Innenverwaltung unnachgiebig etwa auf die gesetzlichen Mitwirkungspflichten der Abzuschiebenden pocht, nimmt man es in den Amtsstuben mit den Rechten der Insassen nicht allzu genau. Selbst deren verzweifelte Proteste konnten die Amtsschimmel nicht bewegen, den spätestens da angezeigten Blick ins Gesetzbuch zu riskieren. Traurig genug, daß erst Gerichte bemüht werden mußten, um das mitunter erbärmliche Dasein hinter Gittern zumindest ein wenig erträglicher zu machen.
Mit dem Urteil, das sicher eine Antragsflut auslösen wird, haben die Abschiebehäftlinge und deren Unterstützer einen Erfolg errungen. Aber sie wissen auch, daß es mit der Gewährung von Taschengeld allein längst nicht getan ist. 80 Mark machen noch keine Menschenwürde. Aber das Urteil könnte ein Signal sein für die verantwortlichen Politiker und Behörden, ein Anlaß für eine Denkpause: Vielleicht wird einigen dann das Selbstverständliche klar – die Würde des Menschen ist unantastbar, also auch die des Abschiebehäftlings. Frank Kempe
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