Richter rüffeln Behörde: DNA-Test für Visum nicht nötig
Die Familie eines Flüchtlings aus Birma darf nach Deutschland ziehen, obwohl sie die Verwandtschaft nicht per DNA-Test belegt. Derartige Tests werden häufig von Ausländern verlangt.
Wenn Kinder und Ehepartner eines Flüchtlings nachziehen wollen, dürfen die Behörden nicht auf einem DNA-Test bestehen, der die Verwandtschaft nachweist. Das entschied das Verwaltungsgericht Berlin im Fall eines Flüchtlings aus Birma, der seit vier Jahren getrennt von der Familie in Deutschland lebt.
Die Ausländerbehörde hatte abgelehnt, dass die Ehefrau und der Sohn des Mannes nachziehen dürfen - obwohl dieser mit Geburts- und Heiratsurkunde, Reisepässen und Fotos seine Verwandtschaft nachgewiesen hatte. Die Behörde berief sich vor Gericht darauf, dass ein Nachzug "ohne DNA-Test nicht möglich" sei. Dieser Praxis haben die Berliner Richter nun eine Riegel vorgeschoben. Die Visa zu versagen sei falsch, heißt es in dem Urteil. "Ich hoffe, dass die Familie nun noch vor Weihnachten nach Deutschland kommen darf", sagte Andreas Cochlovius, Anwalt des Birmesen, der taz.
So glücklich dieser Fall ausging, die Praxis der DNA-Tests beim Familiennachzug bleibt problematisch. Immer wieder berichten Anwälte von Fällen, in denen ihre Mandanten zu DNA-Tests aufgefordert werden. Laut Auswärtigem Amt werden in Pass- und Visaangelegenheiten mehrere hundert Mal pro Jahr DNA-Tests gemacht. Dies geschehe bei Menschen aus Ländern, in denen Geburten nicht erfasst würden oder Urkunden häufig gefälscht seien, etwa im Irak, Nigeria oder dem Sudan. Wenn die Verwandtschaft zu Kindern nicht anders nachgewiesen werden könne, hätten Visa-Antragsteller die Möglichkeit, sie per Speichelprobe zu belegen - freiwillig, wie ein Sprecher versichert. Die Kosten von 250 bis 500 Euro müssen sie allerdings selbst tragen. Eines der Länder, denen die deutschen Behörden nicht trauen, ist Afghanistan. Dort sei es "für die Antragsteller in der Regel schneller, kostengünstiger und zielführender, die Abstammung zu ihren Kindern direkt durch ein DNA-Gutachten zu belegen", heißt es in einer Stellungnahme der Bundesregierung. "Die deutsche Botschaft Kabul regt ein solches Verfahren deshalb meist unmittelbar an, allerdings erfolgt dies ausschließlich mit Einverständnis der Antragsteller."
Pure Freiwilligkeit also? Interne Anweisungen des Auswärtigen Amts legen eine andere Praxis in Afghanistan nahe. "Es wird nunmehr in Visa- und Passangelegenheiten grundsätzlich die Durchführung eines DNA-Gutachtens eingeleitet, um die Abstimmung eines Kindes zu klären", heißt es in einem Papier vom Mai dieses Jahres, das der taz vorliegt.
Die FDP-Bundestagsfraktion hat eine Anfrage an die Regierung gestellt und verlangt Aufklärung zur Rolle von DNA-Gutachten bei der Visa-Erteilung. "Ein Gentest ist der größtmögliche Grundrechteingriff", sagte FDP-Innenpolitikexpertin Gisela Piltz. "Das geht nicht ohne eine gesetzliche Regelung." Im Aufenthaltsgesetz ist bisher nur eine allgemeine Pflicht zur "Mitwirkung" verankert, wonach Ausländer alle erforderlichen Nachweise und Papiere erbringen müssen. Von einem Gentest ist dort keine Rede.
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