Rhiel-Studie über Stromkonzerne: Scharfes Schwert gegen Eon und Co.
Hessen will ermöglichen, dass Energieriesen zum Verkauf von Kraftwerken gezwungen und Fusionen widerrufen werden können. Dazu soll das Bundeskartellamt mehr Macht bekommen.
Ein Jahr ist es her, dass Hessens Wirtschaftsminister Alois Rhiel (CDU) ankündigte, er wolle "ein scharfes Schwert für mehr Wettbewerb auf dem Energiemarkt schmieden". Am Montag war es nun so weit: Der Kritiker der Stromwirtschaft präsentierte die Waffe, mit der er die Macht des marktbeherrschenden Oligopols brechen will.
Per Gesetz soll das Bundeskartellamt die marktbeherrschenden Stromkonzerne Eon, RWE, Vattenfall und EnBW dazu zwingen können, einen Teil ihrer Kraftwerke an Dritte zu verkaufen. "Ich will die Grundlage dafür schaffen, dass ein Zwangsverkauf tatsächlich durchgeführt werden kann, wenn alles andere nicht mehr hilft", sagte Rhiel am Montag. Gleichzeitig legte er zwei Gutachten vor. "Sie zeigen, dass der Zwangsverkauf von Kraftwerken verfassungsrechtlich möglich und ökonomisch sinnvoll ist", sagte der Minister. Bis Ende 2009 will Rhiel seinen Entwurf über den Bundesrat in geltendes Recht umsetzen.
Die Gesetzesinitiative ist nicht auf die Energiewirtschaft beschränkt und richtet sich generell gegen Machtmissbrauch auf Märkten "von gesamtwirtschaftlicher Bedeutung". Der Entwurf schafft auch den rechtlichen Rahmen, um Fusionen zwischen Stromkonzernen und Stadtwerken nachträglich zu widerrufen. Er geht über die zur Zeit von der Bundesregierung angestrebte verbesserte Preisaufsicht der Energiekonzerne hinaus, die Rhiel für unzureichend hält: "Die Novelle wird am Grundübel im Erzeugermarkt nichts ändern."
Die mächtigen Stromkonzerne sind Wettbewerbshütern und der EU-Kommission schon lange ein Dorn im Auge, denn 80 Prozent des deutschen Stroms werden nur noch von vier Konzernen produziert. Darunter leidet der Wettbewerb: Während sich die Gewinne der Energiekonzerne in den letzten Jahren vervielfacht haben, sind die Verbraucherpreise für Strom seit dem Jahr 2000 um über 50 Prozent gestiegen. Die Kommission ermittelt seit Monaten gegen Eon und RWE wegen "wettbewerbsfeindlichen Praktiken". Erklärtes Ziel von EU-Wettbewerbskommissarin Neelie Kroes ist es, dass sich die Stromkonzerne von ihren Stromnetzen trennen.
Im Gegensatz zu dieser vertikalen Entflechtung der Konzerne zielt Hessens Vorschlag darauf ab, die Anzahl der Stromproduzenten zu erhöhen. "Schon wenn ein bis zwei neue Stromerzeuger auf den deutschen Markt kämen, würden die Großhandelspreise um 15 Prozent sinken", sagte der Dresdner Energie-Ökonom Christian von Hirschhausen. In einem Gutachten für das Land Hessen beziffert er die Ersparnis für einen Durchschnittshaushalt auf 83 Euro im Jahr.
Die Bundesregierung reagierte am Montag zurückhaltend auf die neue Initiative. Die von ihr angestrebte Preisaufsicht solle vor weiteren Schritten zunächst ihre Wirkung entfalten, sagte eine Sprecherin des Wirtschaftsministeriums. Deutlicher Widerspruch kam aus Nordrhein-Westfalen, Heimat der beiden Energieriesen Eon und RWE. "Zwangsverkäufe von Kraftwerken könnten einer Einladung an ausländische Monopolisten oder Staatskonzerne gleichkommen", sagte NRW-Wirtschaftsministerin Christa Thoben. Gegenüber der taz entgegnete Rhiel der Kritik: "Gerade bei einem funktionierenden Wettbewerb müssen wir solche ausländischen Konkurrenten nicht fürchten."
Energieexperte Holger Krawinkel vom Bundesverband Verbraucherzentralen hält Rhiels Plan aus einem weiteren Grund für sinnvoll: "Für den Fall, dass die von der EU angestrebte Netzentflechtung nicht gelingt, muss die Bundesregierung eigene Wege für mehr Wettbewerb im Strommarkt entwickeln." Vor diesem Hintergrund sei Rhiels Vorschlag "sehr interessant".
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