Rhetorikfehler der SPD: "Immer wieder nur Apparatschicks"
Die SPD hat vom Obama-Effekt geträumt - obwohl sie keinen Obama hat, sagt Rhetorik-Professor Joachim Knape. Die FDP habe dagegen die richtige Strategie gefunden.
taz: Herr Knape, sind Sie als Rhetoriker mit dem Wahlausgang zufrieden?
Joachim Knape: Rhetorik ist ein eigenständiges, isoliertes Machtinstrument und der Wahlkampf ist eine klassisch rhetorische Situation: Ja, sein Ausgang ist rhetorisch gerecht.
Die SPD hat also bekommen, was sie verdient hat?
Durch ihr ewiges Personalkarussell hat die SPD seit langem ein massives Imageproblem - das kann man in ein paar Wahlkampfmonaten nicht beheben. Parteien und Politiker brauchen mittelfristige Strategien, um weiterzukommen, keine kurzfristigen.
Was hätte sie als kleinerer Koalitionspartner besser machen können?
Die richtige Strategie wäre ein Ausstiegsszenario gewesen, die Schaffung einer Sollbruchstelle. Wenn ich Führungsanspruch formuliere, dann muss ich auch sagen, warum die Führung wechseln soll. Die SPD hat das nicht klarmachen können.
Eine kämpferische Botschaft.
"Der Wechsel ist nötig, jetzt!", diese Botschaft hätte den Wahlkampf beherrschen müssen. Aber die SPD zieht aus ihrer Personalkiste immer wieder nur die Apparatschicks, kämpft mit sich selbst. Sie hat von einem Obama-Effekt geträumt, aber eben keinen "Obama" aufgestellt. Dabei ist inzwischen die Personalfrage entscheidend, weil sich gerade die "Volksparteien" inhaltlich kaum mehr unterscheiden. Da müssen sie wenigstens mit dem Personal aufkrachen.
Die FDP hat all das richtig gemacht?
Sie hat diese strategischen Überlegungen offensichtlich geführt und über Jahre ein Team aufgebaut - auch gegen Anfechtungen. Diese Dauerpräsenz hat dem Bürger Stabilität, Zuverlässigkeit und Klarheit vermittelt.
Die Metamorphose vom Guidomobil bis heute spielt dabei eine kleinere Rolle als die personelle Stabilität?
Der Wähler verzeiht Westerwelle diesen Wechsel als Reifeprozess. Wichtig ist, dass die Eckpunkte der Programmatik immer gleich geblieben sind.
Die CDU hat auch ohne Obama-Effekt gewonnen, hat Merkel okkultes Charisma?
Begnadete Redner sind rar und Frau Merkel gehört sicher nicht dazu. Ihr Stil reißt nicht mit, aber das wollte sie auch nicht, um nach beiden Seiten hin offen zu bleiben. Sie kommt authentisch rüber und man nimmt ihr ab, wie sie auftritt. Im Grunde trifft das auch auf Steinmeier, den Diplomaten, zu: Man nimmt ihm ab, wie er auftritt.
Das genügt aber wohl nicht.
Steinmeier ist kein Dynamiker, er kann eben nicht aus einer schwächeren Position die stärkere machen. Ihm fehlt das Schrödersche Machertum, die unverfrorene politische Aktivitätsaura.
Westerwelle ist aber auch kein ausgesprochener Sympathieträger.
Ja, er redet stark argumentativ und nicht so emotional, dass es wirklich ankommt. Aber seine Rede ist klar konturiert, zwölf Jahre Opposition haben ihn kämpferisch gemacht. Er hat seit Jahren einen klaren Kommunikationsstil. Das zahlt sich mittelfristig aus.
Ausgerechnet die FDP hat von der Krise profitiert. Wie konnte das passieren?
Drei Parteien haben das Thema Finanzkrise rhetorisch geschickt angepackt. Erstens die CSU. Sie machte einen publikumswirksamen Schachzug genau an der Stelle, an der die Krise sitzt, indem sie den Langweiler Glos durch den dynamischen Strahlemann zu Guttenberg ersetzt hat. Zweitens die FDP. Sie hat ungewöhnlich und sehr geschickt agiert, indem sie fest stand und sagte: Wir sind die Wirtschaftspartei, wir haben die Wirtschaftskompetenz, wir lösen dieses Problem. Sie ist eben nicht von ihrer Programmatik abgefallen, sondern hat sie im Gegenteil noch verstärkt. Das Problem hat sie auf die Gier der Manager geschoben. Ihre Parole war: Die Moral hat versagt, nicht unser Wirtschaftsliberalismus. Und drittens Die Linke. Die hat gesagt: Die Hilfsbedürftigen brauchen jetzt einen tatkräftigen Advokaten, das sind wir und nicht die SPD, weil die euch mit Hartz IV erst in die Armut treibt.
Dieses Interview führte Holger Fröhlich, einer von 20 Teilnehmern der dritten taz-Akademie für Nachwuchsjournalisten.
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