Rezension: Heiliger Zorn des Hinterbänklers
Wer weiß schon, was der Petitionsausschuss macht? Sein Chef Ralf Hillenberg (SPD) hat dem Gremium ein Buch gewidmet - darin geht es vor allem um ihn selbst.
Schön ist es für einen Autor, wenn Medienvertreter zur Vorstellung seines neuen Buchs kommen. Weniger schön ist es, wenn sich Letztere kaum fürs Werk interessieren. Und das trotz eines so pompösen Titels wie "Gerechtigkeit kennt keine Grenzen". Das macht aber nichts. Der Schriftsteller nämlich fand seine Präsentation trotzdem gelungen.
Gleichmäßig gebräunt, mit lebhaften Gesten begrüßt ein sichtlich gut gelaunter Ralf Hillenberg die Besucher seiner Buchvorstellung im Abgeordnetenhaus. Der SPD-Mann ist seit fünf Jahren Vorsitzender des wenig wahrgenommenen Petitionsausschusses und freut sich daher von Berufs wegen über Öffentlichkeit. Ein Foto Hildenbergs prangt prominent auf seinem Buch, wohlgemerkt nicht auf der Rück-, sondern mitten auf der Frontseite. Auf insgesamt 163 Seiten hat der Mann mit dem starken Ostberliner Akzent seine Erfahrungen von zwölf Jahren Petitionsausschuss zusammengetragen. Untertitel: "Von der Zügelung des Berliner Amtsschimmels".
Eigentlich, scherzt der Mann mit dem festen Händedruck, habe er lauten sollen: "Nur ein toter fauler Beamter ist ein guter fauler Beamter." Seine Lebensgefährtin habe den Vorschlag jedoch nicht so gut gefunden. Die sei nämlich im Staatsdienst.
Hillenberg versteht sich als Rächer der Namenlosen. Da ist es nur folgerichtig, dass es in seinem Büchlein nicht nur um das Bescheidstoßen von bornierten Chefs landeseigener Unternehmen geht oder um Hilfe für betagte Berliner, die der BVG egal sind. Sondern auch und im großen Maße um Ralf Hillenberg selbst. Seine seitenlange Selbstbeschreibung betitelt der Wackere mit "Der nicht angepasste Genosse".
Der wankt auch nicht, als ausgerechnet ein früherer Spitzengenosse ihm doppelbödiges Lob spendet. Peter Strieder, bis vor drei Jahren "Supersenator" und starker Mann der Hauptstadt-SPD und seither eher seltener Gast im Abgeordnetenhaus, spricht eine Art Laudatio für den gut gelaunten Parteifreund. Mit verhangener Miene liest Strieder vom Blatt ab. "Das Buch hält, was es verspricht." Es berichte über die Arbeit des Ausschusses. "Das ist nicht spektakulär. Und deshalb ist auch das Buch nicht spektakulär." Hillenbergs Miene beginnt der Strieders zu ähneln.
Vielleicht hat Strieders Moll-Ton damit zu tun, dass Hillenberg ihn im Buch als arroganten Westler darstellt. Bei den Koalitionsverhandlungen 2001 habe Parteichef Strieder kaum auf die Hilfe Ostberliner Genossen vertraut, schreibt der Mann aus Prenzlauer Berg. Erst ein Wutanfall habe damals für Besserung gesorgt.
Viel mehr als die Geschichten von heiligem Zorn und zurückgewonnenem Demokratievertrauen interessiert die anwesenden Journalisten eine andere Form von "Amtsschimmel". Hillenberg wähnt sich zu Unrecht im Visier des Finanzamtes. Gemeinsam mit zwei Ausschusskollegen von CDU und FDP verdächtigt er die Steuerbehörde, sie mit überraschend angesetzten Steuerprüfungen einschüchtern zu wollen. Zuvor waren die drei Parlamentarier Vorwürfen gegen den Leiter eines Finanzamtes nachgegangen, der seine Mitarbeiter gemobbt haben soll. Finanzsenator Thilo Sarrazin (SPD) hat wiederholt dagegen gehalten, die Beschuldigungen seien "alt und komplett widerlegt". Der forsche Hillenberg ist vorsichtig, sagt nur: "Die zeitliche Reihenfolge ist schon sehr, sehr merkwürdig."
Am Ende dankt Hillenberg Strieder für die schöne Lobrede. Dessen Gesichtsausdruck ist mit einem Mal nicht mehr finster, sondern überrascht. Der zweite Band von "Gerechtigkeit" ist übrigens in Arbeit.
40.000 mal Danke!
40.000 Menschen beteiligen sich bei taz zahl ich – weil unabhängiger, kritischer Journalismus in diesen Zeiten gebraucht wird. Weil es die taz braucht. Dafür möchten wir uns herzlich bedanken! Ihre Solidarität sorgt dafür, dass taz.de für alle frei zugänglich bleibt. Denn wir verstehen Journalismus nicht nur als Ware, sondern als öffentliches Gut. Was uns besonders macht? Sie, unsere Leser*innen. Sie wissen: Zahlen muss niemand, aber guter Journalismus hat seinen Preis. Und immer mehr machen mit und entscheiden sich für eine freiwillige Unterstützung der taz! Dieser Schub trägt uns gemeinsam in die Zukunft. Wir suchen auch weiterhin Unterstützung: suchen wir auch weiterhin Ihre Unterstützung. Setzen auch Sie jetzt ein Zeichen für kritischen Journalismus – schon mit 5 Euro im Monat! Jetzt unterstützen
Starten Sie jetzt eine spannende Diskussion!