Revolutionsfeiern in Kuba: Der verkörperte Stillstand
Zum ersten Mal sprachen am Gedenktag der Revolution weder Fidel noch Raúl Castro – stattdessen der Vizepräsident, der als Hardliner und Antireformer gilt.
BERLIN taz | Es war ein historischer Moment – und alles war inszeniert, damit es genau so nicht wirkte. Als die kubanische Partei- und Staatsführung am Montag den 57. Jahrestages des Sturms auf die Moncada-Kaserne feierte – den wichtigsten Gedenktag der kubanischen Revolution –, da traten zum ersten Mal weder Fidel Castro noch sein Bruder, der amtierende Staatspräsident, Raúl ans Mikrofon.
Stattdessen ergriff José Ramón Machado Ventura das Wort, der 80-jährige Vizepräsident und selbst Revolutionär der alten Garde. Machado gilt als ewiger Hardliner. Während Raúl Castro immerhin einige wenige Zeichen in Richtung Reform gesetzt hat, seit er 2006 von seinem Bruder die Amtsgeschäfte übernahm, erwartet von Machado niemand irgendeine Veränderung.
Wenige Tage nach der angekündigten Freilassung der politischen Gefangenen, der größten politischen Konzession, die eine kubanische Regierung je zugestanden hat, sprach Machado vor den rund 100.000 versammelten Menschen von der Solidarität mit Venezuela, vom Befreiungshelden Simón Bolívar, von Che Guevara und natürlich von den Heldentaten Fidel Castros.
Zur politischen Lage in Kuba sagte er nichts. Nur auf die wirtschaftlichen Schwierigkeiten, insbesondere bei der Lebensmittelproduktion, ging er ein: "Es ist angebracht, dass wir mit dem Studium, der Analyse und dem Treffen von Entscheidungen fortfahren, die dazu beitragen, unsere Unzulänglichkeiten auf allen Gebieten zu überwinden und unsere Gesellschaft zu perfektionieren." Und weiter: "Wir werden uns keinen ausländischen Medienkampagnen beugen. Wir werden verantwortlich, Schritt für Schritt in jenem Rhythmus vorgehen, den wir selbst bestimmen."
Das war selbst für kubanische Verhältnisse eine überaus vage Ankündigung. In der nächsten Woche tagt die kubanische Nationalversammlung. Es wird erwartet, dass dort eine Reihe kleinerer Reformen verabschiedet werden. Etwas die Zulassung weiterer Tätigkeiten auf eigene Rechnung, um die darniederliegende Binnenproduktion anzukurbeln. Zunächst einmal aber kam es der Staatsführung augenscheinlich darauf an, jeden Eindruck von politischer Krise oder gar Umbruchs zu vermeiden. Niemand sollte den Eindruck bekommen, auch nur die geringsten Schritte in Richtung Systemumbau stünden bevor. Nicht einmal Raúl Castro verkörpert diesen Stillstand mehr als Vizepräsident Machado.
In ihrem Blog kommentiert die unabhängige Kritikerin Yoani Sánchez: Raúl Castros "Abwesenheit am Mikrofon darf man nicht als Absichtserklärung in Richtung Dezentralisierung verstehen. Der General sprach deshalb nicht, weil er nichts zu sagen hatte. Er hat kein Paket von Reformen vorgestellt, weil er weiß, dass er damit seine Macht aufs Spiel setzen würde, die Kontrolle, die seine Familie seit fünf Jahrzehnten ausübt."
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