piwik no script img

Revolutionäre 1. Mai-DemoWider die Einheits­front

Timm Kühn
Kommentar von Timm Kühn

Die 18-Uhr-Demo wird im Zeichen des Nahost-Konflikts stehen, das zeigt das Demo-Plakat. Mit dabei sind Gruppen, die das Hamas-Massaker relativierten.

Revolutionäre 1. Mai-Demo 2023 Foto: dpa

E s ist so eine Art Berufskrankheit von Linken, in Szenestreits auf maximale Konfrontation zu setzen, statt gemeinsam gegen den eigentlichen Gegner vorzugehen. Das dürfte sich auch auf dem diesjährigen Revolutionären 1. Mai zeigen, der wohl im Zeichen des Nahostkonflikts stehen wird. So legt es ein am Dienstag veröffentlichtes Plakat nahe, mit dem das Demobündnis für den Tag zum U-Bahnhof Südstern mobilisiert.

Foto: twitter.com/Rev1MaiBerlin

Im Retrocharme kommunistischer Propagandaplakate aus Weimarer Zeiten sind darauf drei Ak­ti­vis­t:in­nen zu sehen, womöglich KI-generiert. Zwei schwenken rote Fahnen, die dritte einen Hammer. Die vordere Ak­ti­vis­t:in ist eine PoC, trägt Kufiya und Sneakers und ist gerade dabei, einen der Panzer zu zermalmen. Die Antextung klassisch: „Konzerne enteignen, Kriegstreiber entwaffnen, Kapitalismus zerschlagen!“ Und auf einer der Fahnen: „Heraus zum 1. Mai!“

Nun könnte der Zeitpunkt für Palästinasolidarität kaum besser sein. Ohne die deutschen Waffen wären die israelischen Massaker in Gaza wohl nicht möglich. Doch die herrschende Politik stellt lieber Pa­läs­ti­nen­se­r:in­nen unter Generalverdacht – statt aufzupassen, sich nicht in schwere Kriegsverbrechen zu verwickeln.

Doch die Auflistung kommunistischer Kadergruppen lässt keine Zweifel zu, in welche Kerbe die Demo schlagen wird. Mit „Young Struggle“ wird dort ausgerechnet jene Gruppe als Erstes genannt, die den Hamas-Überfall auf Israel als „Gefängsnisausbruch“ bezeichnete und deren angekündigte Teilnahme an einer Antifa-Demo in Eisenach kurz darauf zur Absage dieser durch die Veranstalter geführt hatte.

In Berlin finden sich unter den organisierenden Gruppen dagegen noch weitere, die nach dem 7. Oktober mit relativierenden Statements aufgefallen waren. Der Affront gegen andere Teile der Linken könnte nicht größer sein.

Die Zeiten, in denen antiautoritäre Autonome und An­ar­chis­t:in­nen am 1. Mai das Demobild prägten, sie sind wohl vorbei. Das ist schade. Aus diesem Spektrum hätten sich wohl Stimmen finden lassen, die die Kriegstreiber anklagen – ohne sich mit islamistischen Mörderbanden zu verbandeln.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Timm Kühn
Redakteur
Schreibt seit 2020 für die taz über soziale Bewegungen, Arbeitskämpfe, Kapitalismus und mehr.
Mehr zum Thema

13 Kommentare

 / 
  • Ach ja der klassische kommunistische Charme, wer erinnert sich nicht an die gute Zeit mit Trotsky, Stalin oder Mao. Das waren noch Männer die wussten wie man anders denkende Menschen behandelt (findet den Sarkasmus).

  • Gehen da eigentlich auch noch Arbeiter hin?

  • "israelische Massaker in Gaza" - geht's noch? Massaker sind gezielte Tötungen von Zivilisten oder sonstwie Wehrlosen, sowas wie am 7. Oktober eben. Zivilisten in Gaza werden von Israel aber eben nicht gezielt getötet, sondern ihr Tod wird in Kauf genommen (von Israel, aber natürlich erst recht von Hamas). Das kann man ebenfalls falsch und verwerflich finden; dennoch sind zivile Opfer im Rahmen eines - zudem grundsätzlich gerechtfertigten und notwendigen - Krieges etwas qualitativ anderes als ein Massaker.

  • Die migrantisch geprägte Linke (Migrantifa) ist es aber auch, die die revolutionäre 1.-Mai-Demo vor 2 Jahren wieder in einer Größeaufstellen nonnte, wie es (wir) Autonome und Anarchisten lange nicht vermochten...

    • @Ano Nym:

      Wenn es gegen Israel geht, sind eben alle dabei.

      • @Jim Hawkins:

        Ging es denn vor 2 Jahren 'gegen Israel'? Oder ist das nur ein unqualifizierter Kommentar gewesen?

        • @Hannes Hegel:

          Ging es nicht. Es ging gegen die Gesamtscheiße, zu teures Wohnen, gentrifizierung und die immer größer werdende Arm-Reich-Schere.

          • @Ano Nym:

            Sagen Sie bitte bescheid, wenn es wieder gegen die "Gesamtscheiße" geht? Bei so elaborierter und zugespitzter Systemkritik wäre ich gern mal wieder dabei — ich entstaube derweil schon mal meine "Gegen die Gesamtscheiße"-Transparente...

        • @Hannes Hegel:

          Ich war vor einigen Jahren das letzte Mal auf dieser Demo.

          Da wurde eine kleine Gruppe, die eine wirklich kleine Israelfahne bei sich führte, vom propalästinensischen Block massiv angegriffen und konnte nur durch beherztes Eingriffen von Ordnern und Polizei an schlimmerem gehindert werden.

          Seitdem gilt bei mir, bye, bye Erster Mai.

          Mittlerweile haben diese Leute die ganze Demo gekapert und bilden den ersten Block.

          Es ist mir ein Rätsel, wie man als halbwegs reflektierter Linker mit diesen Fanatikern gemeinsam demonstrieren kann.

          • @Jim Hawkins:

            Mir ist es ein Rätsel, wie man in so einer Situation nicht eingreifen kann, dann nicht mehr zu der Demo geht und jetzt rumheult, dass die Demo von "denen" gekapert wurde...

            • @Ano Nym:

              Sie sind ein Spaßvogel, dieser Block bestand aus ein paar hundert ziemlich aggressiven jungen Leuten.

              Wenn Sie Freude daran haben, mit durchgedrehten Antiimperialisten wie Zora oder Young Struggle zu marschieren, nur zu.

              Mich widert das alles an.

              Im Übrigen gehe ich auf Demonstrationen. Da geht es in der Regel um Solidarität mit Jüdinnen und Juden.

              Die sind eher klein.

  • Es wird wohl eher wieder zur Situation wie in den neunziger Jahren kommen müssen, als es eben mehr als eine Demo zum ersten Mai gab, weil viele Leute schon damals nicht mit stalinistischen oder maoistischen Kommunist*innen marschieren wollten! Es ist wieder Zeit für Trennungen!

    • @Bernd König:

      Ich werde grade mal auf das Fest am Mariannenplatz gehen.



      Der maximale Vorwurf innerhalb der Linken hat spätestens ab 94 den ersten Mai gekeult.



      Von der RIM hat man allerdings seither nichts mehr gehört.