Revolution in Syrien: Ikonen des freien Wortes verhaftet
14 syrische Menschenrechtler sind verhaftet worden, unter ihnen die Bloggerin Razan al Ghazzawi. Ihr wurde schon einmal vorgeworfen, "sektiererische Spaltung" zu betreiben.
BEIRUT taz | "Ich kann keine Nachrichten mehr schauen, heute werde ich einen Film anschauen. Auf meinem Bett, im Dunkeln, nur ich und der Film." Dies war der letzte Eintrag, den die syrische Menschenrechtlerin und Bloggerin Razan al Ghazzawi aka Red Razan auf Twitter hinterließ, bevor sie verhaftet wurde.
Auf ihrem Blog und weiteren Websites schrieb die 31-Jährige offen über die Menschenrechtsverletzungen des Regimes seit Beginn der Aufstände vor rund einem Jahr. Die syrische Polizei nahm sie am Donnerstag zusammen mit 13 weiteren Menschenrechtlern, unter ihnen Mazen Darwish, den 37-jährigen Gründer des Syrischen Zentrums für Medien und das Recht auf freie Meinungsäußerung (SCM), in Damaskus fest.
Al Ghazzawi war bereits Anfang Dezember für rund zwei Wochen verhaftet worden, was eine Solidaritätswelle im Internet in Gang setzte. Sie wurde von offizieller Stelle beschuldigt, "sektiererische Spaltung" vorangetrieben zu haben und "eine Organisation, die den Wandel der sozialen und wirtschaftlichen Einheit des Staates und das Nationalgefühl" schwächen sollte, gegründet zu haben.
Mazen Darwish war Anfang des vergangenen Jahrzehnts in Erscheinung getreten, als er zusammen mit anderen Aktivisten die Kommittees für die Verteidigung von Demokratischer Freiheit und Menschenrechten gründete, bevor er 2004 das SCM ins Leben rief. Das SCM war die erste syrische Nicht-Regierungsorganisation, die sich explizit um freie Meinungsäußerung in der syrischen Gesellschaft bemühte.
Seitdem ist Darwish immer wieder festgenommen und misshandelt worden, sein Institut wurde 2009 offiziell geschlossen. Doch er und sein Team machten im Untergrund weiter und erlangten 2011 den Status des wirtschaftlichen und sozialen Berater der UN. Bis sie am Donnerstag festgenommen wurden, arbeiteten die Aktivisten in der Menschenrechtsszene in Damaskus, die Darwish aufbaute und maßgeblich mitprägte.
Er organisierte Sit-Ins vor dem Parlament um auf politische Gefangene aufmerksam zu machen und sprach lange vor Beginn der Aufstände mit der internationalen Presse über Meschenrechtsverletzungen des Regimes. Bis zu seiner jetztigen Verhaftung galt er als vertrauenswürdige Quelle für viele internationale Medien.
Darwish wurde, wie so viele Oppositionelle, mit einer Ausreisesperre belegt und konnte das Land seit 2007 nicht verlassen. Trotz aller Repressalien und Ängste, die die beiden mit ihren Kollegen teilen mussten, ließen sie sich bislang nicht ermutigen, weiter für den Aufbau einer syrischen Zivilgesellschaft, in der niemand für seine frei geäußerte Meinung um seine Sicherheit fürchten muss, zu engagieren.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Debatte um SPD-Kanzlerkandidatur
Schwielowsee an der Copacabana
BSW und „Freie Sachsen“
Görlitzer Querfront gemeinsam für Putin
Urteil nach Tötung eines Geflüchteten
Gericht findet mal wieder keine Beweise für Rassismus
Papst äußert sich zu Gaza
Scharfe Worte aus Rom
Wirtschaftsminister bei Klimakonferenz
Habeck, naiv in Baku
Aktienpaket-Vorschlag
Die CDU möchte allen Kindern ETFs zum Geburtstag schenken