: Revival für die Dioxin-Kippe
■ Niedersächsisches Umweltministerium denkt an Weiternutzung der stillgelegten Giftmülldeponie Münchehagen / Petershagen und Bürgerinitiativen wollen klagen
Um die Giftmülldeponie Münchehagen im Landkreis Nienburg bahnt sich ein neuer Konflikt an. Wie das niedersächsische Umweltministerium gestern bestätigte, überlegen die zuständigen Behörden bereits seit einiger Zeit, ob die 1983 geschlossene „Skandaldeponie“ doch noch längerfristig weiterbetrieben werden soll. Anlaß dafür sind die im Laufe der Jahre angefallenen dioxinhaltigen Restschlämme, die aus dem Oberflächen-und Regenwasser der Deponie herausgefiltert und anschließend in tonnenschweren Betonblöcken verfestigt worden sind. Über ihren endgültigen Verbleib gibt es bisher keine Entscheidung. Gegen die Überlegungen, sie in Münchehagen endzulagern, laufen inzwischen Bürgerinitiativen sowie die angrenzende nordrhein-westfälische Stadt Petershagen Sturm und drohen mit gerichtlichen Schritten.
Das niedersächsische Umweltministerium sieht keinen Grund, warum die nach einem Gutachten ungefährlichen Giftschlamm -Blöcke nicht dort bleiben sollen. Eine Wiedereröffnung der Depo
nie stehe jedoch nicht zur Diskussion. Eine solche Interpretation der Überlegungen sei „völliger Quatsch“. Es sei lediglich daran gedacht worden, „ob man die Blöcke angesichts ihrer Ungefährlichkeit nicht auch bei den laufenden Sicherungsmaßnahmen einbeziehen könne.“ Für eine solche längerfristige Lagerung der Blöcke nach dem Gesetz für Sicherheit und Ordnung auf der Deponie bedarf es eines weniger aufwendigen Genehmigungsverfahrens als bei einer Wiedereröffnung nach dem Abfallgesetz.
Über 800 Blöcke lagern derzeit provisorisch auf dem umzäunten Deponiegelände in Münchehagen, monatlich kommt je nach Witterung ein gutes Dutzend hinzu. Zwar sei der giftige Schlamm Sonderabfall, erklärte der Leiter des zuständigen Wasserwirtschaftsamtes, Herfried Lüdeke. Doch in den Betonblöcken verfestigt, sei das Ganze so ungefährlich, daß es „selbst auf eine Hausmülldeponie“ gebracht werden könnte, wenn die Fracht nicht aus Münchehagen käme. Von dort, wo jahrelang illegal
Hochgiftiges bis hin zum Dioxin abgekippt wurde, werde wohl kein Landkreis freiwillig etwas auf seine Deponie gelangen lassen, fürchten die heute Verantwortlichen.
Hinzu kommen „rechtliche Probleme“, die seit einiger Zeit geprüft werden. Der Petershagener Stadtdirektor Lothar Ramrath sieht hier den entscheidenden Punkt. „Wir werden eine Einlagerung der Giftblöcke nicht hinnehmen“, sagte er auf Anfrage. Ein solches Vorhaben der niedersächsischen Behörden sei eine unrechtmäßige Wiederaufnahme einer in weiten Teilen gar nicht genehmigten Deponie. Das Oberverwaltungsgericht Lüneburg hatte 1983 die Deponie stillgelegt, da sich herausgestellt hatte, daß für einen großen Bereich überhaupt keine Genehmigung vorlag. „Wie soll eine illegale Giftkippe denn wieder geöffnet werden?“, fragen örtliche Deponiegegner.
Auf Unverständnis stoßen die Überlegungen zur Wiederaufnahme in Münchehagen auch bei der SPD-Opposition im Landtag. Die Deponie könne ohnehin nur
mit einem ordentlichen Genehmigungsverfahren wieder in Betrieb genommen werden. Außerdem sei das Verfestigungsverfahren bei den Fachleuten umstritten, insbesondere die Frage, ob das Zurückhalten der Gifte im Beton auch über mehrere Jahrzehnte gesichert sei, meinte eine Fraktionssprecherin. Sinnvoll sei, die Schlammblöcke oberirdisch zu lagern, um sie im Auge behalten zu können.
Eine Debatte um den langfristigen Verbleib des Klärschlamms aus Münchehagen hatte es bereits vor zwei Jahren gegeben. Damals hatte die DDR-Deponie in Schönberg die Annahme der Rückstände abgelehnt.
Als Alternative zu Münchehagen böte sich derzeit die von einer landeseigenen Gesellschaft betriebene Sondermülldeponie Hoheneggelsen (Landkreis Hildesheim) an, so das Umweltministerium. Doch hier kostet die Einlagerung derzeit rund 350 Mark pro Tonne. Für die Münchehagener Giftblöcke hieße das, Kosten von mindestens einer halben Million Mark aus Landesmitteln zu zahlen.
dpa
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