Rettungspaket für Griechenland: Pleite verhindert, Problem bleibt
Im letzten Moment haben sich die Euroländer auf ein Rettungspaket für Athen geeinigt. Die "beispiellose Solidarität" der Europartner kommt den griechischen Staat teuer zu stehen.
BRÜSSEL taz | Die Retter sind müde. Mehr als "das kann man gut verantworten" war Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble nach dem 14-stündigen Brüssler Verhandlungsmarathon zur Stützung Griechenlands nicht zu entlocken. Von "Rettung" wollte Berlins Kassenwart so wenig reden wie Eurogruppenchef Jean-Claude Juncker. Nur EU-Währungskommissar Olli Rehn sprach von einer "beispiellosen Solidarität der Europartnerstaaten".
130 Milliarden Euro soll Athen nun erhalten, um die im März drohende Staatspleite abzuwenden. Dazu kommt ein Forderungsverzicht in Höhe von 107 Milliarden Euro der privaten Gläubiger, also von Banken, Versicherungen und Hedgefonds. Doch die damit verbundene Umschuldung ist noch nicht in trockenen Tüchern - erst Mitte März wird man wissen, ob sich genug Banken daran beteiligen. Und ob das zweite Hilfspaket in nur zwei Jahren das schafft, woran das erste scheiterte - Griechenland dauerhaft zu stabilisieren -, steht in den Sternen. Zunächst hilft es vor allem den Gläubigern.
Die müssen zwar auf mehr als die ursprünglich vereinbarten 50 Prozent ihrer Forderungen verzichten. Der Schuldenschnitt wurde nach harten Verhandlungen, an denen auch Deutsche-Bank-Chef Josef Ackermann beteiligt war, auf 53,5 Prozent erhöht. Bei einer Pleite hätten sie jedoch 100 Prozent abschreiben müssen. Außerdem erhalten sie noch nie dagewesene Garantien.
So soll der Schuldendienst künftig von einem Sperrkonto abgewickelt werden und Vorrang vor allen anderen staatlichen Aufgaben bekommen. Die Regierung in Athen will dies sogar in der Verfassung verankern. Die prompte Zahlung von Zinsen und Zinseszinsen wird von der internationalen Troika überwacht - Schäubles "Sparkommissar" kommt modifiziert wieder.
Die meisten Griechen werden von der "Rettung" ihres Landes nicht viel mitbekommen. Denn der Schuldendienst wird nach Schätzungen bis zu 80 Prozent der Hilfen auffressen, nur 20 Prozent kommen dem Staat zugute. Doch auch dieses Geld landet nicht in den Kassen der Griechen, im Gegenteil: Der Mindestlohn wird gekürzt, die Tariflöhne werden gedeckelt, im Gesundheitswesen und im öffentlichen Dienst wird massiv gespart.
All dies soll das Defizit verringern und die Wettbewerbsfähigkeit erhöhen. Mit Ergebnissen rechnen selbst die Experten der Troika aber frühestens in zwei Jahren. Bis dahin erwarten die Griechen immer neue Zumutungen. Schon in den nächsten zwei Wochen soll die Regierung in Athen neue Sofortmaßnahmen beschließen, wozu auch unpopuläre Rentenkürzungen und Privatisierungen gehören.
Ein Kurswechsel ist auch nach den Wahlen im April nicht zu erwarten: Die großen griechischen Parteien wurden gezwungen, sich schriftlich zur Umsetzung der Auflagen zu verpflichten. Schäuble brachte sogar eine Verschiebung der Wahlen ins Spiel, ruderte nach massiven Protesten aus Athen aber wieder zurück. Ob all dies dem offiziell verkündeten Ziel dient, den griechischen Schuldenberg abzutragen, ist fraglich. Bisher haben die Sparmaßnahmen nämlich nur die Konjunktur abgewürgt, die Rezession verschärft - und den Schuldenstand im Vergleich zum Bruttoinlandsprodukt erhöht.
Auf dem Papier soll die Schuldenratio nun zwar bis 2020 auf rund 120 Prozent der Wirtschaftsleistung sinken - von derzeit mehr als 160 Prozent. Aber dies wurde nur möglich durch Zahlentricks und überaus optimistische Annahmen. So soll Athen bereits im nächsten Jahr wieder einen Budgetüberschuss erwirtschaften. Doch selbst die Experten der Troika zweifeln daran, dass es wirklich so kommt.
Noch während Schäuble und seine Ministerkollegen in Brüssel verhandelten, sickerte eine vertrauliche Studie durch, die in eine ganz andere Richtung weist (siehe Grafik). Wenn sich die Rezession weiter verschärft, könnte der Schuldenstand 2020 auch wieder bei 160 Prozent liegen, heißt es darin. Dann müssten die Griechenland-Retter wieder von vorne anfangen.
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