Rettungsabkommen Zypern: Panik auf dem Goldmarkt
Zypern soll als Teil seiner Vereinbarung mit internationalen Geldgebern Gold verkaufen. Aber das Land braucht nun noch mehr Rettungsgelder als bisher angekündigt.
FRANKFURT/NIKOSIA rtr/afp | Nach den Turbulenzen um sein Hilfsprogramm braucht Zypern nun deutlich mehr Geld als vorgesehen. Statt insgesamt 17,5 Milliarden Euro seien nun 23 Milliarden Euro nötig, um das Land vor der Pleite zu bewahren, teilte die zyprische Regierung am Donnerstag in Nikosia mit.
Zypern hatte nach langen Verhandlungen Ende März von der Euro-Staaten und dem Internationalen Währungsfonds (IWF) zunächst zehn Milliarden Euro Hilfe zugesagt bekommen, den Rest sollte das Land selbst aufbringen. So soll Zypern als Teil seiner Vereinbarung mit internationalen Geldgebern Goldbestände im Wert von 400 Millionen Euro verkaufen. Das geht aus dem abschließenden Text des Rettungsabkommens hervor, das der Nachrichtenagentur reuters am Mittwoch vorlag. Zudem sollen höheren Unternehmenssteuern und eine Abgabe auf Kapitalgewinne über einen Zeitraum von drei Jahren 600 Millionen Euro einbringen.
Durch die Abwicklung der Laiki-Bank und die Einbeziehung von Einlagen bei der Bank of Cyprus dürften bis zu 10,6 Milliarden Euro zusammenkommen, hieß es weiter. Von den 23 Milliarden Euro, die Zypern zwischen dem zweiten Quartal 2013 und dem ersten Quartal 2016 benötigt, sollen dem Dokument zufolge neun Milliarden aus dem ESM-Rettungsschirm, eine Milliarde vom Internationalen Währungsfonds (IWF) und 13 Milliarden von Zypern selbst kommen.
Die Regierung in Nikosia hatte sich vor einigen Wochen mit seinen internationalen Geldgebern auf die Milliarden-Hilfen verständigt. Im Gegenzug muss das Land seinen Bankensektor eindämpfen und Anleger mit Einlagen von mehr als 100.000 Euro zur Kasse bitten. Der Plan zum Verkauf der zyprischen Gold-Reserven drückt den Preis des Edelmetalls.
Experten sehen darin allerdings eine Über-Reaktion des Marktes. „Die angedachte Menge von zehn Tonnen ist nicht groß“, betont Macquarie-Analyst Matthew Turner. Dies entspreche in etwa der Menge, die börsennotierte Gold-Fonds (ETFs) derzeit durchschnittlich jede Woche verkauften. Allein von Dienstag auf Mittwoch hatten sich diese von 16,8 Tonnen des Edelmetalls getrennt.
Goldpreis abgerutscht
Am Mittwoch war der Goldpreis zeitweise um knapp zwei Prozent auf 1,555,39 Dollar je Feinunze (31,1 Gramm) abgerutscht, nachdem die Nachrichtenagentur reuters gemeldet hatte, die Vereinbarung über weitere Hilfen für Zypern sehe unter anderem vor, dass der Inselstaat als Gegenleistung den größten Teil seiner Goldreserven verkaufen muss. Bis zum Donnerstag stabilisierte sich der Preis des Edelmetalls bei knapp 1560 Dollar.
„Der Preissturz beim Gold war im übrigen nicht nur auf Zypern zurückzuführen, sondern auch auf die Veröffentlichung des Protokolls der letzten Fed-Sitzung“, sagt Daniel Briesemann, Rohstoff-Analyst Commerzbank. „Daraus ging hervor, dass sich einige FOMC-Mitglieder für die Beendigung des Anleihenankaufprogramms zum Jahresende ausgesprochen haben.“
Auch für LBBW-Analyst Thorsten Proettel sind die Verkaufspläne für das zyprische Gold allenfalls ein vorübergehender psychologischer Belastungsfaktor. „So lange nicht Frankreich oder Italien gezwungen sind, größere Mengen ihrer Goldreserven zu verkaufen, hat dies keinen längerfristigen Einfluss auf den Preis.“
Dem World Gold Council (WGC) zufolge besitzen diese beiden Staaten jeweils knapp 2500 Tonnen Gold und liegen damit auf der Weltrangliste auf den Plätzen vier und fünf hinter den USA, Deutschland und dem Internationalen Währungsfonds (IWF). Zypern kommt gerade einmal auf 13,9 Tonnen, Griechenland auf 111,9 Tonnen und Spanien auf 281,6 Tonnen.
Keine größeren Goldverkaufe zu erwarten
Selbst wenn andere Staaten ihre Schulden durch den Verkauf von Goldreserven abbauen wollten, müsse nicht mit einer Edelmetall-Schwemme gerechnet werden, betont LBBW-Analyst Proettel. Schließlich limitiere das „Washington Gold Agreement“ die jährlichen Gold-Verkäufe der Notenbanken, die die Vereinbarung unterzeichnet haben, auf insgesamt 400 Tonnen.
Der Fall Zypern taugt auch für seinen Kollegen Briesemann nicht zur Blaupause für den Weg aus der Schuldenkrise. „Der wirtschaftliche Effekt von Goldverkäufen wäre gering und sie würden nur unwesentlich zum Abbau der Staatsschulden beitragen. Zypern ist erst einmal als Einzelfall zu sehen, weil kein anderes Land derzeit so sehr auf Biegen und Brechen Geld braucht wie der Inselstaat.“
Allgemein sehen Experten die Geldpolitik der Zentralbanken als den entscheidenden Faktor für die langfristige Richtung des Goldpreises. Wegen der immer schneller rotierenden Notenpressen bleibe das Edelmetall als Sicherheit gegen eine galoppierende Inflation interessant. „Wie sehr die Abwertung der Währung den Goldpreis in die Höhe treibt, ist besonders in Japan zu sehen“, sagt Briesemann. In Yen gerechnet kostete Gold am Mittwoch zeitweise 157.704 Yen je Feinunze. Das ist der höchste Stand seit mehr als drei Jahrzehnten.
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