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Rettet Karius und Baktus

Weil die Zähne immer besser werden, verlegen die Zahnteufel ihr Hauptquartier bald nach Fernost oder Lateinamerika  ■ Von Sandra Wilsdorf

Gestern war wieder Hass-Tag für Karius und Baktus: Tag der Zahngesundheit. Früher wurde hier und da ein bisschen was von Zähneputzen gemurmelt, Grundschulkinder guckten Karius-und Baktus-Filme. Laue Tage ohne Effekt, denn Storcks Karamelbonbons, endlose rote Zuckerschnüre und Liebesperlen aus nichts als Zucker und Farbstoff waren stärker. Heute aber sind die Zahn-Aktivisten so einflussreich, dass die Zähne gut und das Leben der kleinen Zahnteufel schwer geworden ist. Könnten Karius und Baktus lesen, es würde sie bei dieser Nachricht von der Landesarbeitsgemeinschaft zur Förderung der Jugendzahnpflege Hamburg gruseln: Hamburgs Kinder haben in den vergangenen 20 Jahren immer bessere Zähne bekommen. 1978 hatten nur sieben Prozent der Fünfjährigen makellose Milchzähne. Heute sind es 65 Prozent.

Dabei sind Karius und Baktus durchaus mit der Zeit gegangen: Ihre Presslufthämmer laufen mit Solar- oder Windenergie, und wenn sie für ihre Balkone im Backenzahn Licht brauchen, leuchten sie mit Energiesparlampen. Aber es ist eben nichts mehr wie früher: Da verhedderten sich die Karamel-Fäden von drei Musketieren auf ewig in den Zahnlücken, das Karamel-Herz vom Braunen Bären gab dem Zahnschmelz den Rest. Heute finden Karius und Baktus in den Zähne nur noch Reste getrockneter Aprikosen aus biologischem Anbau und Nuss-Krümel.

Und weil die Geschäfte nicht mehr laufen, sind Karius und Baktus ein globales Unternehmen geworden und lassen Leiharbeiter für sich arbeiten. Outsourcing zur Senkung der Lohnnebenkosten, kennt man ja. Kleine asiatische Zahnteufel lassen Karius und Baktus jetzt für wenig Zucker für sich bohren. Das ist moralisch verwerflich, geht aber nicht anders - schlimme Zeiten, in denen Kinder sich an Forderungen wie dreimal täglich Zähne putzen halten, Bonbons nicht kauen, sondern lutschen und dröge Vollkornkekse und Bananen essen.

Wenn das so weiter geht, kommt es noch schlimmer: Dann verlegen Karius und Baktus auch noch den Hauptsitz ihres Unternehmens nach Fernost. Oder nach Lateinamerika. Da trinken ja schon die ganz kleinen Kinder Nestlé-Milch mit ganz viel Zucker. Dann aber sind sie endgültig weg, keine Filme mehr über die Abenteuer mit dem Presslufthammer, keine Spannung mehr, ob sie Bohrer und Wasserschwall wohl überleben.

Karius und Baktus sollen bleiben: Die taz fordert, den Tag der Zahngesundheit durch einen Tag der Schokolade zu ersetzen. Ganz ohne Zähneputzen.

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