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Rette sich, wer kann

■ Uni-Präsident Lüthje will C4-Stellen auslösen /“Weiterer Stellenabbau fachlich nicht vertretbar“

Wenn Jürgen Lüthje und Leonhard Hajen heute am Verhandlungstisch sitzen, hat der Uni-Präsident eine Liste mit sogenannten C4-Stellen dabei, die auf ungewöhnliche Art gerettet werden sollen. „Wir müssen verhindern, daß uns die Fächerstrukturen kaputt gemacht werden“, sagte Lüthje gestern zur taz. C4-Stellen haben nicht nur den größten personellen Unterbau, sie bilden auch inhaltlich die Eckpfeiler für die Lehre, zu denen die sogenannten C2-Professuren ergänzt werden.

Vier Beispiele können das verdeutlichen:

-Wenn die C4-Professur für Zivil- und Familienrecht gestrichen wird, kann an der Uni kein Familienrecht mehr gelehrt werden

-Der Wegfall der C4-Professur „Handelsbetriebslehre“ hätte zur Folge, daß an der Uni keine Handelslehrer mehr ausgebildet werden können

-Der Wegfall der C4-Professur für Regierungslehre hätte zur Folge, daß das Fach Politik nicht mehr studiert werden kann

-Der Wegfall der Professur für Ältere Deutsche Literatur hätte zur Folge, daß Deutsche Literatur im Zeitraum von 1000 bis 1500 an der Universität nicht mehr gelehrt wird

Deshalb schlägt die Uni vor, Inhaber von C2- und C3-Professuren, die in absehbarer Zeit frei werden, bei gleichem Gehalt auf C4-Stellen zu setzen. Diese komplizierte Operation macht deutlich, in welcher Zwangslage sich die Universität befindet.

Zum Hintergrund: Der Wissenschaftssenator hatte der Uni acht Wochen Zeit gegeben, selbst zu entscheiden, welche Stellen im Umfang von 7,3 Millionen Mark gestrichen werden können. Unter Bauchschmerzen gab der Uni-Präsident vor 14 Tagen nun eine Liste mit 44 Stellen bekannt - überwiegend C2-Professuren - die gestrichen werden könnten. Hajen gab sich mit Umfang und Inhalt dieser Liste nicht zufrieden und schickte vor einer Woche eine neue Liste, die einen Aufschrei in der Universität verursachte. Unter den 26 C4-Professuren waren allein fünf, für die bereits ein Ruf erteilt wurde. Schickt man diese Wissenschaftler wieder nach Hause, wird es abschreckende Wirkung für künftige Bewerber haben.

Entsetzt sind auch die Studierenden am Fachbereich Ethnologie: Den 1103 Studierenden soll eine von vier Professuren genommen werden. Die Uni hat zum jetzigen Verhandlungszeitpunkt lediglich die Möglichkeit, die von Hajen vorgeschlagenen Stellen zu „substituieren“, also gegen andere auszulösen. Dies wird nun in 22 Fällen versucht. „Das ist uns bei Ethnologie nicht möglich“, sagt Lüthje. Was aber keinesfalls bedeute, daß diese Stelle verzichtbar wäre. Lüthje: „Ich halte jede Stellenstreichung, die über die von uns vorgeschlagenen 44 hinausgeht, für fachlich nicht vertretbar.“ Wenn die Politik die Uni verkleinern will, müsse dafür sechs bis zehn Jahre Zeit bleiben.

Fachbereichs-Sprecher und Instituts-Direktoren empören sich über die Aussage des Wissenschaftssenators, er habe bei Auswahl keine fachliche Prüfung vorgenommen. Lüthje: „Wer, wenn nicht die aufsichtsführende Fachbehörde, hat die Aufgabe, auch die Grenzen von Sparmaßnahmen aufzuzeigen?“. Daß diese nahen, steht außer Frage: 1996 und 1997 müssen jeweils neun bis zehn Millionen Mark eingespart werden. Dann aber, so Lüthje, stünde allenfalls die Hälfte an potentiell streichbaren freien Stellen zur Verfügung. Doch nicht nur die rein technischen Hindernisse, auch die Folgen für die Studierenden, die kurzfristig unter noch schlechteren Bedingungen studieren werden, sprechen für ein langfristiges Schrumpfungskonzept. Kaija Kutter

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