Republikaner-Spot geht offline: Arschkarte gezogen
Sie warben mit fremden Ärschen. Jetzt sind sie selbst gekniffen: Der Wahlwerbespot der Republikaner muss vom Netz.
BERLIN taz | So schön kann Häme enden: Die Republikaner, eine rechte Partei, die fast in Vergessenheit geraten war, wollte in diesem Wahlkampf nochmal den großen Auftritt wagen. Sie plakatierte bunte Ärsche an die besonders hohen Stellen der Laternenpfosten. Darauf zu sehen: Bemalte Hinterteile, die für das etablierte Parteienspektrum stehen sollten.
Auch in ihrem Wahlwerbespot sind bunte Hintern zu sehen, mit engen Tangas. Alle bemalt. Daneben tanzen ein paar junge Leute, es sieht etwas unbedarft aus. Zur Szenerie gibt es Musik, eine Art deutscher National-Rap. „Es ist wieder an der Zeit, wir können den größten Arsch wählen.“ So beginnt das. Oder besser begann.
Denn in einem am Freitag ergangenen Beschluss des Berliner Landgerichts, der der taz vorliegt, wird den Republikanern untersagt, das Video weiter zu verbreiten. Der Punkt: Darin halten junge Komparsen ihren Arsch für etwas hin, mit dem sie nichts zu tun haben wollen.
Die kleine Werbeagentur Sunshine GmbH aus dem bayrischen Kempten hatte über die Berliner Casting-Agentur Wanted Komparsen gemietet, die angeblich für einen Musikclip tanzen sollten. Um welche Band es ging, wollten die Auftraggeber nicht sagen – das ist durchaus üblich in der Branche, weil große Bands damit vermeiden wollen, dass Details zu den Produktionen bekannt werden, ehe die Platten auf dem Markt sind. Die Berliner schickten also Leute.
Plötzlich im Fernsehen
Ein paar von ihnen wurden bunt angemalt, Bodypainiting. Mal rot, mal grün, mal gelb und schwarz. Und dann gab es Nahaufnahmen von ihren Gesäßen. Tagessatz 250 Euro. Ein paar andere mussten nur tanzen. Es lief zwar keine Musik im Aufnahmestudio, aber wackeln taten sie trotzdem, für die Videokameras. Tagessatz 75 Euro.
Und dann sahen sich die Komparsen, die meisten von ihnen junge Studierende, plötzlich im öffentlich-rechtlichen Fernsehen wieder – als Wahlwerbung für die Republikaner, eine Rechtsausleger-Partei, die in zehn Bundesländern zur Wahl antritt. Einer der Komparsen erhielt einen Anruf seiner Schwester. Wieso er plötzlich für die Republikaner werbe?
Tatsächlich hatten die Komparsen in einem Vertrag "sämtliche weltweiten, zeitlich, räumlich und gegenständlich unbeschränkten Verwertungsrechte (...) in allen Medien und auf jede beliebige Art und Weise" eingeräumt. Das sei eine viel zu allgemeine Fangklausel, sagt der Berliner Rechtsanwalt der Komparsen, Johnny Eisenberg. Er begründete seinen Antrag bei Gericht außerdem mit arglistiger Täuschung. Mit Erfolg.
Der Spot darf vorerst nicht mehr gezeigt werden, entschied das Gericht in seiner einstweiligen Verfügung am Freitag. Die Komparsen und die Agentur hatten sich gewehrt. Denn dem Anschein nach täuschte die Sunshine GmbH die Beteiligten über die tatsächliche Verwendung hinweg.
„Das war eine Täuschung und ich fühle mich betrogen“, sagt einer der Komparsen der taz. Er möchte namentlich nicht genannt werden, um nicht noch weiter mit den Republikanern in Verbindung gebracht zu werden.
Auch die Berliner Agentur Wanted ist stinksauer – und erstattete gleich noch Anzeige beim bayrischen Zoll. Der möge einmal prüfen, ob die Sunshine GmbH den Auftrag ordnungsgemäß gemeldet, gegebenenfalls Steuern und Abgaben, abgeführt habe.
Ordnungsgeld von bis zu 250.000 Euro
„Die Komparsen“, sagt Michael Jahnke von der Berliner Casting-Agentur, „hätten diesen Auftrag nie angenommen, wenn sie gewusst hätten, für wen sie hier missbraucht werden sollten.“
Dementsprechend müssen die Republikaner das Video nun schleunigst vom Netz nehmen – sonst kann laut Gericht ein Ordnungsgeld von bis zu 250.000 Euro drohen. Auch am Montagmittag war das Video allerdings noch immer auf der Homepage der Republikaner abrufbar.
Der Fall erinnert an eine Peinlichkeit, die vor einigen Tagen im Netz die Runde machte: Dem Hamburger Blogger Dennis Sulzmann war aufgefallen, dass Bilder einer radelnde Familie sowohl von der NPD und der FDP, als auch von einem finnischen Quarkhersteller genutzt worden waren. Bei den Republikanern liegt der Fall allerdings anders, schließlich waren die Komparsen für ihr Tänzchen extra gebucht worden.
Ein Sprecher der Republikaner wollte sich am Freitagnachmittag auf Nachfrage der taz nicht inhaltlich zu der Angelegenheit äußern. Die Sunshine GmbH gab sich auf Nachfrage erstaunt und behauptete, es könne versichert werden, „dass unsere Firma mit der Partei 'Die Republikaner' keinen Vertrag über einen Filmclip abgeschlossen hat.“
Das muss allerdings wenig heißen. Nach Auskunft der Stadt Kempten saß der Geschäftsführer der Sunshine GmbH, Klaus Münzberg, dort von Mai 1990 bis September 1998 für die Republikaner im Stadtrat. 23-juni-2012&catid=226:2012-juni&Itemid=1367:Laut der antifaschistischen informations-, dokumentations- und archivstelle a.i.d.a. ließ er sich außerdem etwa 2012 ins Landesschiedsgericht der Republikaner berufen.
Erster Erfolg für Komparsen
Es war auch die Sunshine GmbH, die die Bundesgeschäftsstelle der Republikaner am Freitag umgehend darüber informierte, dass die taz zum Fall recherchiert. Anzunehmen ist also, dass rein formell eine „Band“ vorgeschickt wurde, die offiziell als Vertragsnehmer und -geber in Erscheinung tritt, damit es keinen Direktvertrag gibt.
Der Text jener „Band“ lässt jedenfalls keinen Zweifel daran, dass es sich um Wahlwerbung handelt. Auch diesen Text bekamen die Komparsen nie zu hören.
Einen ersten Erfolg haben die Komparsen jedenfalls erkämpft. Das Video darf nicht mehr gezeigt werden. Nun stellt sich noch eine weitere Frage: Wem gehören eigentlich die Ärsche auf den Postern? Der Po-Vergleich ergibt: Wahrscheinlich den gleichen Komparsen. Aber da müsste erst noch ein Gutachter ran. Gibt es sowas eigentlich? Arsch-Gutachter?
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Hybride Kriegsführung
Angriff auf die Lebensadern
Kinderbetreuung in der DDR
„Alle haben funktioniert“
BSW in Koalitionen
Bald an der Macht – aber mit Risiko
Niederlage für Baschar al-Assad
Zusammenbruch in Aleppo
Dieter Bohlen als CDU-Berater
Cheri, Cheri Friedrich
„Männer“-Aussage von Angela Merkel
Endlich eine Erklärung für das Scheitern der Ampel