Repression in Hamburg: Polizeirecht für die Schanze

Die Polizei erklärt das gesamte Schanzenviertel zum Gefahrengebiet. Hintergrund ist die Drogenszene im Flora-Park.

Können künftig leichter von der Polizei kontrolliert werden: Passanten vor der Roten Flora. Bild: dpa

HAMBURG taz | Seit 1. Juni ist das Schanzenviertel Gefahrengebiet. Die polizeiliche Maßnahme ist Bestandteil der „Rückeroberung des öffentlichen Raums“, an der seit einigen Monaten ein Runder Tisch unter Moderation des Geschäftsführers der Stadtentwicklungsgesellschaft (Steg), Martin Brinkmann, bastelt.

Das Gebiet wird begrenzt von der Stresemannstraße (zwischen Sternbrücke und Neuem Pferdemarkt), der Schanzen- und Lagerstraße, Schröderstiftstraße, Kleinem Schäferkamp und Altonaer Straße. Täglich von 13 Uhr bis vier Uhr früh dürfen Polizeibeamte verdachtsunabhängig Personen kontrollieren. Dabei können auch Taschen kontrolliert, Platzverweise erteilt oder gar Ingewahrsamnahmen angeordnet werden.

Ziel der „Rückeroberung“ ist es, den Drogenhandel aus dem Flora-Park zu vertreiben. Dort werden seit zwei Jahren wieder vor allem Cannabis-Produkte angeboten. Darauf reagierte die Polizei mit verstärkten Personenkontrollen. Was zuletzt dazu geführt hat, dass sich die Konsumenten und Dealer nun wieder auf das ganze umliegende Viertel und zurück in den Schanzenpark verteilt haben. „Bislang haben wir uns auf gezielte Kontrollen beschränkt“, sagt Polizeisprecher Mirko Streiber. „Die Maßnahmen reichen nicht mehr aus und haben sich als nicht effektiv erwiesen.“

„Eine Stagnation des Drogenhandels durch vermehrte und regelmäßige Kontrollen kann gelingen“, hatte der ehemalige Leiter des zuständigen Kommissariats Lerchenstraße, Stefan Schneider, im Herbst 2012 dem Runden Tisch gesagt – „aber eine Auflösung des Handels ist allein durch polizeiliche Maßnahmen nicht zu erreichen.“ Denn es gebe in der Region keine klassische Konsumszene – der Stoff werde nur gekauft.

Polizeiliche Repression gegen Dealer und Drogenabhängige hat in der Vergangenheit vor allem zu einer Verdrängung an andere Orte geführt:

Der Schanzenbahnhof und der vorgelagerte Park waren Ende der 1990er-Jahre Umschlagsplatz für Drogen - damals vor allem für Heroin und Crack.

Verstärkte Polizeimaßnahmen sorgten dafür, dass sich die harte Drogenszene in den Bereich um die Rote Flora verlagerte. Um die Jahrtausendwende wurde die dortige Szene zerschlagen.

Eine neue Szene hat sich offenbar seit der Fertigstellung der Ausgehmeile "Piazza" gegenüber der Roten Flora etabliert. Weiche Drogen werden seit einiger Zeit im Flora-Park gehandelt. Harte Drogen, vor allem Kokain, sollen auf den Toiletten örtlicher Gastronomiebetriebe erhältlich sein.

Das Bezirksamt schweigt

Dass sie nun das gesamte Viertel inklusive des Schanzenparks zum Gefahrengebiet erklärt, wollte die Polizei eigentlich nicht bekannt machen – mit der Absicht einen gewissen Überraschungseffekt zu erzielen und möglichst viele Verstöße gegen das Betäubungsmittelgesetz aufdecken zu können. Das Bezirksamt Altona schweigt zur der neuerlichen Entwicklung. „Wir haben nicht die Befugnis, dazu etwas zu erklären“, sagt Sprecher Nils Fischer. „Das ist Sache der Innenbehörde und der Polizei.“

Ursprünglich hatte die Stadt 60.000 Euro für die „Rückeroberung“ des Flora Parks bereitgestellt. Gelingen sollte sie – neben polizeilicher Repression – vor allem durch die Belebung der Grünanlage, beispielsweise durch Sport- oder Kulturveranstaltungen – ohne dass, so Steg-Geschäftsführer Brinkmann sich der Drogenhandel „in umliegende Parks“ verlagere. Eben das aber ist offensichtlich eingetreten.

„Es ist eine rein repressive Maßnahme“, kritisiert die innenpolitische Sprecherin der Linkspartei, Christiane Schneider, den Griff zum Mittel Gefahrengebiet. Dieses ändere „nichts“ am Problem und werde „nur den Druck auf die Drogenkonsumenten verstärken“.

Das Verwaltungsgericht hat im November 2012 erhebliche Zweifel daran geäußert, ob das Instrument Gefahrengebiet mit seinen weitreichenden Befugnissen für die Polizei überhaupt zulässig ist. In dem damaligen Verfahren ging es unter anderem darum, dass der Klägerin ein Aufenthaltsverbot erteilt worden war – für ihr eigenes Wohnviertel: die Schanze.

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